Die Zaehmung
für sie.
»Wir werden alles Getreide brauchen, das wir bekommen können«, sagte Rogan gerade. »Wir müssen es einlagern und uns bereit machen.«
»Und was geschieht mit den fünfzig Hektar entlang der Nordstraße? Die Bauern sagen, die Felder wären unfruchtbar Und die Schafe, die dort weiden, stürben.«
»Stürben, ha!« schnaubte Rogan. »Diese Halunken verkaufen sie zweifellos an vorüberziehende Kaufleute und behalten das Geld für sich. Schicke Männer aus, die ein paar Häuser niederbrennen und einige Bauern auspeitschen, und dann wollen wir doch sehen, ob die Schafe auch weiterhin sterben.«
Hier war ein Thema, in dem Liana sich zu Hause fühlte. Diskussionen über Bauern und Schafe hatten ihr Leben seit Jahren bestimmt. Sie dachte nun nicht daran, zu »gehorchen« oder ihren Rat für sich zu behalten. »Die Einschüchterung von Bauern hat noch nie Segen gebracht«, sagte sie laut, ohne die beiden Männer dabei anzusehen. »Zuerst müssen wir herausfinden, ob sie nicht die Wahrheit sagen. Es gibt da eine Reihe von Ursachen. Der Boden könnte erschöpft, das Wasser verdorben sein; oder ein Fluch lastet auf den Schafen. Wenn keine dieser Ursachen zutrifft und die Bauern uns betrügen, dann ver-bannen wir sie. Ich habe festgestellt, daß Verbannung genauso gut wirkt wie die Folter, und eine Verbannung ist weitaus weniger . . . unerfreulich. Sobald wir zu Hause sind, werde ich mich darum kümmern.« Sie drehte nun den Kopf zur Seite und warf den beiden Männern einen lächelnden Blick zu.
Beide starrten sie mit offenem Mund an.
Liana verstand diese Reaktion überhaupt nicht. »Es könnte auch an der Saat liegen«, sagte sie. »Einmal hat der Schimmel das Saatgut eines ganzen Jahres verdorben und . . .«
»Zurück!« sagte Rogan mit drohender leiser Stimme. »Geh zurück zu den Frauen. Wenn ich die Meinung einer Frau hören will, werde ich sie danach fragen«, sagte er in einem Ton, als würde er erst sein Pferd bitten, ihm über den Zustand des Getreides zu berichten, ehe er eine Frau danach fragen würde.
»Ich wollte nur . . .« begann Liana.
»Ich werde dich in einem Wagen festbinden, wenn du noch ein Wort sagst«, unterbrach Rogan sie mit harten, zornigen Augen.
Liana schluckte noch mehr Ärger hinunter, ehe sie ihr Pferd wendete und zu den Frauen zurückkehrte.
Severn ergriff zuerst wieder das Wort, nachdem die beiden Brüder wieder unter sich waren. »Das Wasser? Was könnte mit dem Wasser verkehrt sein? Und ein Fluch? Glaubst du, die Howards haben unsere Schafe verhext? Wie könnten wir diesen Fluch wieder loswerden?«
Rogan blickte starr geradeaus. Verfluchte Frauen, dachte er bei sich. Was hatte sie vor? Wollte sie sich in die Arbeit der Männer einmischen? Nur einmal hatte er einer Frau erlaubt, sich in seine Angelegenheiten einzumischen. Ein einziges Mal hatte er auf eine Frau gehört, und sie hatte ihm das mit Verrat gelohnt. »Da gibt es keinen
Fluch. Nur habgierige Bauern«, meinte Rogan mit fester Stimme. »Ich werde ihnen zeigen, wessen Land sie bearbeiten.«
Severn blickte einen Moment lang nachdenklich vor sich hin. Er war nicht von dem gleichen Haß auf Frauen besessen wie sein Bruder. Da gab es vieles, was er mit Iolanthe besprach, und er hatte oft festgestellt, daß sie kluge und nützliche Antworten gab. Vielleicht steckte mehr in dieser Neville-Erbin, als er auf den ersten Blick in ihr gesehen hatte.
Er drehte sich im Sattel um und sah zu ihr zurück. Sie saß kerzengerade auf ihrem Pferd, und ihre Augen blitzten vor Wut. Severn wandte ihr wieder den Rücken zu und grinste seinen Bruder an. »Jetzt hast du sie beleidigt«, sagte er gemütlich. »Sie wird heute abend nicht gerade bei guter Laune sein. Ich habe herausgefunden, daß ein Geschenk in der Regel die Stimmung von Frauen verbessert. Auch mit Komplimenten erzielt man zuweilen die gleiche Wirkung. Sag ihr, daß ihre Haare aussehen wie Gold und ihre Schönheit deinen Seelenfrieden raubt.«
»Das einzige, was mich reizt, ist das Gold in den Wagen, nicht ihre Haare. Und ich denke, daß du heute abend lieber mit einer von den Mägden schlafen solltest, damit du nicht ständig an Frauenhaare denken mußt.«
Und Severn antwortete, immer noch lächelnd: »Während du bei deiner hübschen Frau schläfst und ihr ein paar Söhne machst?«
Söhne, dachte Rogan. Söhne, die ihm halfen, die Howards zu bekriegen. Söhne, die auf dem Land der Peregrines wohnten, sobald er dieses zurückerobert hatte. Söhne, die neben ihm
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