Die Zaehmung
erübrigen?«
Rogans Gesicht verriet nicht, wie sehr ihr Vorschlag ihm zusagte. Ein Tag mit Fröhlichkeit verbringen ... »Ich kann mich nicht unbewaffnet unter die Bauern mischen«, sagte er. »Sie . . .«
». . . würden dich nicht erkennen. Die Hälfte der Männer des Dorfes sind Nachkommen deines Vaters — oder deine eigenen.« Letzteres sprach sie mit einigem Abscheu und Widerwillen aus.
Rogan war schockiert über die Unverschämtheit ihrer Worte. Er hätte sie sofort einsperren sollen, nachdem er sich mit ihr hatte trauen lassen. »Und du glaubst, sie würden dich ebenfalls nicht erkennen?«
»Ich werde eine Klappe über einem Auge tragen. Ich weiß noch nicht, wie ich mich verkleiden werde. Die Bauern werden niemals glauben, daß sich ihr Herr und ihre Herrin unter sie mischen. Nur einen Tag, Rogan, bitte.« Sie lehnte sich an ihn, und er konnte den Lavendelduft ihrer Kleider riechen.
Er hörte sich »ja« sagen, und glaubte nicht, daß das seine Stimme sein könne.
Liana warf die Arme um seinen Hals und küßte jedes Fleckchen Haut, das sie zu erreichen vermochte. Sie konnte nicht den schockierten Ausdruck seines Gesichts sehen, der sich nur langsam wieder verlor. Doch einen Moment, einen kurzen, flüchtigen Augenblick lang, drückte er sie ebenfalls — nicht einem sexuellen Verlangen folgend, sondern aus Freude.
Dann ließ er sie sofort wieder los. »Ich muß gehen«, murmelte er und trat von ihr weg. »Und du bleibst hier und mischst dich nicht in meine Rechtsprechung ein.«
Sie versuchte, verletzt auszusehen; aber sie fühlte sich viel zu glücklich, um diesen Versuch erfolgreich durchstehen zu können. »So etwas würde ich natürlich niemals tun. Ich bin eine gute und pflichtbewußte Ehefrau, die ihrem Mann in allen Dingen gehorcht. Ich versuche nur, dir das Leben angenehmer zu machen.«
Rogan war sich nicht sicher, ob sie sich nicht schon wieder über ihn lustig machte. Ja, er mußte ihren Unverschämtheiten einen Riegel vorschieben. »Ich muß gehen«, wiederholte er, und nachdem sie ihm die Hand hinstreckte und er sie fast ergriffen hätte, rannte er förmlich aus dem Zimmer. Er würde mit ihr zum Jahrmarkt gehen, dachte er, als er die Treppe hinunterlief, und danach würde er sie für immer nach Bevan verbannen. Und er würde seine Wochentage in die Burg zurückholen. Ja, das würde er tun. Diese Frau entglitt immer mehr seiner Kontrolle und mischte sich in sein Leben ein.
Doch während er daran dachte, sie wegzuschicken, merkte er sich vor, seinen Helm mitzunehmen, wenn er heute nacht in ihr gemeinsames Schlafzimmer ging.
Kapitel zehn
Liana blickte im frühen Morgenlicht auf das Profil ihres schlafenden Mannes und lächelte. Sie sollte eigentlich nicht über ihn lächeln, tat es aber dennoch. Letzte Nacht hatte sie stundenlang im Bett auf ihn gewartet; aber er war nicht zu ihr gekommen. Endlich ging sie, das Kinn energisch vorschiebend und mit einer Fackel in der Hand nach unten, um ihn zu suchen.
Sie hatte nicht weit gehen müssen. Sie fand ihn gleich unter ihrem Schlafgemach in der Lord’s Chamber — zusammen mit Severn —, und beide waren sie sinnlos betrunken.
Severn hob den Kopf vom Tisch und blickte Liana an. »Wir haben uns immer betrunken«, lallte er mit schwerer Zunge. »Mein Bruder ist immer den ganzen Tag mit mir zusammen gewesen; aber nun hat er ja eine Frau.«
»Aber das Betrinken erledigt ihr immer noch gemeinsam«, sagte Liana spitz. »Hier«, sagte sie zu ihrem Gatten, »lege deinen Arm um meine Schultern, und dann laß uns nach oben gehen.«
»Weiber ändern alles«, murmelte Severn hinter ihrem Rücken.
Liana mußte all ihre Kraft aufbieten, um Rogan die Treppe hinaufzuhelfen. »Dein Bruder braucht eine Frau«, sagte sie zu Rogan. »Vielleicht läßt er uns beide in Ruhe, wenn er selbst eine Frau hat.«
»Die muß aber sehr viel Geld haben«, sagte Rogan, sich schwer auf ihre Schulter stützend, während er langsam und mühsam die Stufen der engen Wendeltreppe erklomm. »Eine Menge Geld und eine Menge Haare.«
Liana lächelte bei seinen Worten und schob die Tür des Schlafzimmers auf. Rogan wankte zum Bett, fiel darauf und war schon im nächsten Moment eingeschlafen. Das war also die Liebesnacht, die sie sich versprochen hatten, dachte Liana bei sich und schmiegte sich dann an seinen schmutzigen Leib.
Er hatte recht. Sie schien sich nicht an dem Geruch seines ungewaschenen Körpers zu stören.
Doch als sie ihn nun lächelnd im frühen Morgenlicht
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