Die Zaehmung
Dörfern. Als sie sich dem Dorf näherten, konnte Liana spüren, wie Rogan sich an ihrer Seite zu entspannen begann. Seine Augen blickten zwar noch wachsam umher, denn er war ein Soldat und betrachtete jeden mißtrauisch; aber als sie alle nur zu lachen und sich auf die Ereignisse dieses Tages zu freuen schienen, spähte er nicht mehr so argwöhnisch umher.
»Sieh mal dort«, rief Liana und deutete auf die Standarten, die über dem von reisenden Kaufleuten aufgeschlagenen Zelt wehten. »Was sollen wir zum Frühstück essen?«
»Wir hätten essen sollen, ehe wir die Burg verließen«, erwiderte Rogan streng.
Liana verzog das Gesicht und hoffte, er würde nicht den ganzen Tag hungern, um ein paar lumpige Pfennige zu sparen. Der Jahrmarkt fand auf einem brachliegenden Feld vor den Mauern des Dorfes statt.
»Auf diesem Feld wird nie mehr Korn wachsen«, schnaubte Rogan. »Nicht, nachdem es so viele Füße plattgetrampelt haben.«
Liana knirschte mit den Zähnen und fragte sich, ob es wirklich so eine gute Idee war, Rogan auf den Jahrmarkt mitzunehmen. Wenn er den ganzen Tag damit verbrachte, nur darauf zu achten, was die Bauern alles falsch machten, würde er später eine Menge zu bestrafen haben.
»Das Stück!« sagte Liana und deutete auf eine große aus Holz errichtete Bühne, die an einem Ende des Feldes aufgebaut war. »Ein paar von den Schauspielern kamen sogar aus London hierher, und das ganze Dorf hat in der letzten Woche bei den Vorbereitungen mitgewirkt. Komm, oder wir werden keinen Platz mehr ergattern können.« Sie nahm Rogans Hand, zog ihn mit sich fort und führte ihn zu einem Platz auf einer der Bänke in der Mitte der Zuschauerreihen. In ihrer Nähe saß eine Frau mit einem Korb voll verdorbenem Gemüse, mit dem sie die Darsteller bewerfen konnte, falls ihr nicht gefiel, was sie
taten.
Liana stieß Rogan sachte gegen die Rippen und deutete auf den Gemüsekorb. »Wir hätten auch so etwas mitbringen sollen.«
»Eine Vergeudung von Nahrungsmitteln«, meinte Rogan grollend, und wieder fragte sich Liana, ob ihre Idee wirklich so gut gewesen war.
Da hing ein schmutziger und oft geflickter Vorhang vor der Bühne, und nun trat ein Mann in Harlekinkleidern daraus hervor, das eine Bein rot, das andere schwarz, dann der gegenüberliegende Arm wieder rot, der andere schwarz, mit einer schwarzen und roten Tunika und verkündete, daß der Namen des Stückes »Die Zähmung von Lord Bussard« hieße.
Aus irgendeinem Grund brach bei dieser Ankündigung ein brüllendes Gelächter unter den Zuhörern aus.
»Es ist vermutlich eine Komödie«, sagte Liana, und als sie dann Rogans saures Gesicht sah, meinte sie: »Ich hoffe, es ist eine Komödie.«
Der Vorhang wurde aufgezogen und enthüllte eine düstere Szenerie: Kahle Bäume in Töpfen standen am hinteren Rand der Bühne, und im Vordergrund hockte ein alter häßlicher Mann vor einem Haufen rotgefärbten Strohs, das offenbar ein Feuer darstellen sollte. Er hielt einen Stock darüber, auf den drei Ratten aufgespießt waren.
»Komm, Tochter, das Mittagessen ist fast fertig«, rief der Mann.
Hinter dem Vorhang an der rechten Seite trat eine Frau hervor — oder etwas, das einer Frau ähnelte. Sie drehte sich den Zuschauern zu, und sie war in Wahrheit ein sehr häßlicher Mann. Die Zuschauer krähten vor Vergnügen. In ihren Armen hielt sie eine fette Strohpuppe, und als sie sich vorbeugte, um das »Baby« abzusetzen, und sich dann wieder aufrichtete, sahen die Zuschauer, daß sie einen enormen Busen besaß — so gewaltig, daß sein Gewicht den Träger dieses »Körperteils« nach vorn zogen. Sie betrachtete die Ratten. »Sie sehen köstlich aus, Vater«, sagte sie mit einer hohen Kopfstimme, als sie sich ihm gegenüber am rotgefärbten Strohhaufen niederließ.
Liana lächelte zu Rogan hinauf und bemerkte, daß er das Stück kaum beachtete. Er betrachtete die Leute ringsum, als versuchte er, unter ihnen Feinde zu entdecken.
Von der linken Seite der Bühne kam nun ein weiterer Darsteller, ein großer Mann mit nach hinten gedrückten Schultern, der den Kopf sehr hoch hielt. Auf dem Kopf trug er eine rote Wollperücke und auf seiner Nase war ein gebogener Aufsatz aus Papier befestigt, der einem Habichtsschnabel ähnelte.
»Was geht hier vor sich?« fragte der großgewachsene Schauspieler. »Ich bin Lord Bussard, und ihr eßt meine Herdentiere.«
»Aber, Mylord«, wimmerte der Väter, »das sind doch nur Ratten.«
»Aber es sind meine Ratten«, erwiderte Lord
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