Die Zaehmung
lassen.«
»Du lenkst mich jetzt nicht ab. War das Dokument falsch oder nicht?«
Er hob den Kopf, um sie abermals zu küssen; aber sie drehte das Gesicht von ihm weg.
»War es falsch?«
»Ja, es war falsch«, sagte er verdrossen.
Liana lachte und begann seinen Hals zu küssen.
Rogan schloß die Augen.
Er hatte so wenige Frauen in seinem Leben gehabt, die keine Angst vor ihm hatten. Die hochgeborenen Ladies an den Höfen des Hochadels rümpften in der Regel die Nase über ihn, und so hatte sich Rogan eben eingeredet, daß er eine Vorliebe für die Mädchen des gemeinen Volkes habe. Und die fürchteten sich vor seinen finsteren Blicken und barschen Reden. Doch diese Frau lachte über ihn, schrie ihn an — und weigerte sich, ihm zu gehorchen.
». . . und ich kann helfen«, sagte sie.
»Helfen wobei?« murmelte er.
»Bei der Rechtsprechung.« Sie fuhr mit der Zungenspitze an seinem Schlüsselbein entlang.
»Nur über meine Leiche«, rief er.
Sie scheuerte ihre Hüften an den seinen. »Ich bin doch jetzt über ihr, nur scheint mir die Leiche sehr lebendig zu sein.«
»Du bist ein unverschämtes Stück«, sagte er, sie küssend.
»Wie wirst du mich bestrafen?«
Er legte seine Hand hinter ihren Kopf, rollte sie auf den Rücken und warf seine mächtigen Beine über die ihren. »Ich werde es so lange mit dir machen, bis dir die Lust daran vergeht.«
»Unmöglich!« rief sie, ehe er mit seinen Lippen ihren Mund verschloß.
Da näherten sich Schritte zwischen den Bäumen, die das Liebespaar zunächst nicht hörte.
»Gaby, ich sage dir, das ist eine schlechte Idee«, sagte eine Männerstimme.
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, sage ich immer«, antwortete eine Frauenstimme.
Liana spürte, wie Rogan plötzlich erstarrte, rasch sein Kurzschwert unter seiner Tunika hervorholte und dann über ihr kniete, um sie mit seinem Körper zu schützen.
Unter den Bäumen traten Baudoin, eine kleine dralle Frau mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm und einem Henkelkorb in der Hand und ein Knabe hervor, der zwischen den beiden ging.
Liana und Rogan starrten die vier an, wußten nicht, was sie von dieser Störung halten sollten.
»Da seid Ihr ja«, sagte die Frau und trat nun näher. »Baudoin hat mir alles erzählt. Ihr müßt ihm sein hitziges Temperament verzeihen. Ich bin seine Frau, Gabriel, aber jeder nennt mich Gaby; und das sind meine Kinder, Sarah und Joseph. Ich sagte zu Baudoin, wenn wir bei Euch wohnen sollen, sollten wir Euch auch kennenIernen. Mein Vater war Ritter — natürlich nicht so etwas Hochwohlgeborenes wie ein Graf, aber immerhin ein Mann von Respekt. Ich wußte, daß Baudoin der Sohn eines Lords war, und ich bettelte so lange, bis mein Vater mir erlaubte, ihn zu heiraten.« Sie warf dem hochgewachsenen, hübschen jungen Mann einen liebevollen Blick zu. »Und ich habe meinen Entschluß nicht einen Augenblick bereut. Ist Euch denn nicht kalt, Mylady, in diesen nassen Kleidern? Die Farbe in Euren Haaren löst sich auf und läuft Euch übers Gesicht. Laßt mich Euch helfen, Euer Haar von den Resten der Farbe zu befreien.«
Rogan und Liana hatten sich inzwischen nicht bewegt. Rogan kniete noch mit gezogenem Kurzschwert über Liana, um sie mit seinem Körper zu schützen, und als Gaby Liana ihre freie Hand hinstreckte, reagierte sie nicht.
Baudoin brach das Schweigen. »Geht nur mit ihr«, sagte er. »Jeder tut, was sie sagt.« Das waren nicht gerade schmeichelhafte Worte; aber der Ton, in dem sie gesprochen wurden, verriet eine große Zuneigung zu seiner Frau. Die beiden sahen eigentlich gar nicht so aus, als würden sie zusammengehören. Baudoin war groß, schlank, ungewöhnlich gutaussehend; Gaby hingegen klein, eher plump, hübsch; aber keineswegs eine Schönheit. Und während ihr Mann trotzig, fast zornig um sich blickte, sah sie so aus, als wäre sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht geboren.
Liana ergriff nun die Hand, die ihr die Frau entgegenstreckte, und folgte ihr hinunter zum Fluß. Liana war es gewöhnt, daß Frauen aus Gabys Stand Angst vor ihr hatten; aber seit sie in das Land der Peregrines gekommen war, schien nichts mehr so zu sein, wie sie es früher gekannt hatte.
»Du bleibst hier sitzen und bist artig«, sagte Gaby zu ihrer kleinen Tochter, nachdem sie diese auf dem Boden abgesetzt hatte. Dann blickte sie Liana an. »Ich habe gehört, was heute morgen geschehen ist. Brüder sollten sich niemals bekämpfen. Ich habe immer zu Baudoin gesagt: ‘Deinen Brüdern auf der Burg
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