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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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meine widerspenstigen Locken zu fassen zu bekommen und sie glänzend zu bürsten. Die Frau, die ich im Spiegel sah, gefiel mir nicht im geringsten. Ich hatte tiefe Schatten unter den Augen, und mein Gesicht war von einigen kleinen geplatzten Adern verunziert. Schwere zog in meine Beine. Ich seufzte für mich und schrak im selben Augenblick zusammen, als ich Peter hinter mir im Spiegel auftauchen sah. Seine Augen waren von Schlafmangel gerötet und sein Schritt von einem Trinkgelage mit einigen Polen unsicher. Er beugte sich über mich und biß mir spielerisch in die Schulter.
    »Wie geht es dir, meine schöne Martha?« fragte er dann, und ich spürte seinen Atem an meinem Ohr.
    »Schlecht. Ich kann mir nicht einmal mehr selber die Haare kämmen. Sieh dir das an!« maulte ich und hob zornig meine geschwollenen Hände. Er lachte und griff sich die Bürste.
    »Sag es doch gleich. Im Haarekämmen bin ich gut.«
    Er arbeitete sich schweigend durch meine Flechten. Meine Kopfhaut kribbelte unter dem harten Strich der silbernen Bürste angenehm. Als er fertig war, legte er sein Kinn auf meinen Kopf. Wir betrachteten uns beide einen Augenblick lang im Spiegel. Wir waren blaß wie Geister. Das Licht der Kerzen verzerrte unsere Gesichter und ließ die Knochen scharf hervortreten. Er schwieg lange, und ich schmiegte mich in der letzten Wärme der Kohlepfannen und des Kachelofens nur an ihn. Im Spiegel konnte ich die Umrisse meines Bettes ausmachen, dessen Vorhänge beiseite gezogen waren: Die dicken Federdecken leuchteten einladend zurückgeschlagen.
    »Komm …«, sagte ich leise und erhob mich, um ihn ins Bett zu ziehen. Vielleicht konnte ich mit ihm an meiner Seite schlafen. Er jedoch hielt meinen Arm fest. »Nein. Zieh dir einen Mantel an und komm mit mir nach unten.«
    »Was für einen Mantel?« fragte ich erstaunt. Er zuckte die Schultern und zeigte auf meine offene Kleidertruhe. »Irgendeinen, nur damit du nicht im Nachtgewand bist!«
    Ich schwieg überrascht und zog mir rasch über mein Nachtgewand aus warmer, weißer Wolle einen Umhang aus goldgelbem Damast, dessen Umrandung mit Nerz verbrämt war. Er war nach persischem Muster mit Goldfäden bestickt und fiel weich bis hin zu meinen Füßen. So bedeckte er mit seinen tiefen Falten und der Knebelschnürung unter meinem Busen selbst meinen ungeheuren Bauch.
    Peter nickte: »Das ist gut. Komm jetzt.« Er hob mich über meine auf der Schwelle schlafende Kammerfrau, als sei ich eine Feder. Als ich wieder auf meinen Füßen stand, legte er einen Finger auf seine gespitzten Lippen, und ich nickte schweigend. Auf Zehenspitzen schlichen wir durch den kalten Gang des Sommerpalastes, in dem es nach dem nahen Wasser und dem bitteren Pech der Fackeln roch. Das Stroh auf den Steinplatten des Bodens raschelte unter meinen Füßen. Die Kälte kroch durch meine Pantoffeln aus gekochter Wolle. Peter führte mich die Treppen hinunter. Wir bleiben vor der Tür zu einem kleinen Empfangszimmer stehen. Er griff an die nach europäischer Art hochgelegte Klinke und drückte sie nach unten. Der Raum war dunkel bis auf den Schein des Feuers im Kamin. Auf den warmen Platten und einigen Schafsfellen davor lagen Peters Hunde. Sie klopften schwach zur Begrüßung mit dem Schwanz, als sie meinen Geruch wahrnahmen.
    Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit.
    Dann erst sah ich die Gestalt, die neben dem Kamin stand. Es war ein Pope. Seine Kutte war lang und schwarz und fiel ohne jegliche Verzierung auf seine Füße, die selbst im kalten Oktober nur in Socken und Sandalen steckten. Seine Haare fielen dunkel und ungepudert auf seine Schultern, und sein Bart war sauber gestutzt. Ich grüßte, und er erwiderte, indem er sich an seine Panagia griff. Ich zog den Umhang fester um mich und war froh, daß wenigstens meine Haare ordentlich aussahen. Wirklich, hätte Peter mir nicht sagen können, daß wir einen Besucher hatten? Aber er griff mich am Arm und zog mich zu dem Popen.
    »Martha, ich stelle dir nun den größten und freiesten Geist des gesamten Russischen Reiches vor: Feofan Prokopowitsch!«
    Das war also jener Feofan Prokopowitsch, von dem Peter so oft sprach! Er hatte ihn im vergangenen Sommer in Kiew das erste Mal predigen hören und war von dem gebildeten Mann tief beeindruckt in unser Lager zurückgekehrt. Feofan war damals erst von einem langen Aufenthalt in Rom zurückgekehrt und gehörte, nach dem, was ich über ihn gehört hatte, der alten Moskauer Garde an. Dennoch, für

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