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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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einer Wand aus Schneeflocken und auf einer Decke aus Eissplittern im Triumph auf den Roten Platz. Ich selber durfte an jenem Tag auf Anweisung des Zaren nicht auf dem Balkon des Kreml stehen und auch an keinem der Festessen teilnehmen. Peter hatte mich aus Sorge um meinen fortgeschrittenen Zustand in sein Haus bei Ismailow bringen lassen. Ich war rastlos in diesem Haus: Beim Sticken stach ich mir in die Finger, und ich verbrachte Stunden damit, in die Flammen des Kamins zu starren und mit dem Finger Figuren in die Eiskristalle an den Fenstern zu zeichnen. So konnte ich nur die Nachricht von der Feier empfangen: wie Peter unter dem Jubel der Moskowiter auf Finette auf den Roten Platz ritt. Das Pferd war mit Leopardenfellen und silbernem Zaumzeug geschmückt. Hinter ihm liefen seine Regimenter unter der Führung seiner Generäle. Sie behielten den endlosen Strom der schwedischen Gefangenen, die wild vor Angst hinter ihnen hertrotteten, im Auge. Nur die stärksten unter ihnen hatten den langen Zug nach Moskau überlebt. Ihre Gesichter und ihre Namen verblaßten im Geflatter der erbeuteten dreihundert Fahnen und dem Gewicht der sechsunddreißig schwedischen Kanonen, die die Russen zeigten. Das Volk auf dem Roten Platz und den Galerien gegenüber dem Kreml jubelte sich heiser. Bojaren und reiche Kaufleute, darunter auch Peters Freund Graf Stroganow, traten vor ihre Häuser und baten den Zaren und seine Generäle auf einen Siegestrank in ihre Häuser. Die Männer lehnten nie ab. Sieben Triumphbogen waren auf der Strecke des Siegeszuges errichtet worden: Als Peter unter allen durchmarschiert war, erreichte er den Thron des Prinz-Cäsaren Fjodor Romodanowski. Seine Haare und Schultern waren schon mit Schnee bedeckt. Er neigte das Haupt und legte eine Hand auf sein Herz und erklärte dem falschen Zaren: »Mit der Hilfe Gottes und der Gnade Eurer Majestät habe ich für Rußland bei Poltawa den Sieg errungen!« Die schwedischen Soldaten sollen geglaubt haben, nun gänzlich wahnsinnig geworden zu sein. Wer war denn nun der Zar – der Mann in der rauhen, ab getragenen Uniform, den sie in Poltawa gesehen hatten, oder der reich geschmückte und geschminkte dicke Mann, der dort auf dem Thron von einem Staat an Narren umgeben war und nun Zeichen gab, das Fest beginnen zu lassen?
    Darja sagte mir, daß die schiere Anzahl der Gäste es verlangte, den Zeremonienmeister zu Pferd durch den Saal zu schicken. Zu jedem Trinkspruch schoß Peter aus einer Pistole in die Luft, und seine Männer antworteten ihm hundertfach. Die buntbemalte Decke des Festsaales im Kreml war nach jener Nacht bis zur Unkenntlichkeit durchlöchert. Was sie mir verschwieg, berichteten andere mir: Die Zarewna Jekaterina Iwanowna, Praskowjas hübsche Tochter, wollte dabei nicht von seiner Seite weichen.
     
    In jenen Stunden lag ich jedoch schon in tiefem Schlaf, meine Hände um meinen geschwollenen Leib gelegt, um den Herzschlag unseres Sohnes zu fühlen. Einige Tage später setzten die Wehen ein, und ich fügte mich diese Mal gehorsam in alle Anweisungen von Doktor Blumentrost. Es waren lange Stunden des Schmerzes, in welchen ich mich an die Vorhänge meines Bettes klammerte und die Mägde, die mich halten sollten, in die Arme biß. Als ich Blumentrost rufen hörte: »Schnell, mein Gott, schnell! Es liegt falsch herum! Es kommt mit den Beinen zuerst!« wurde mir einen Augenblick lang schwarz vor Augen. Dann endlich, endlich, sah ich, wie die kleinen, fetten Hände des Arztes den sich windenden, vollkommenen, kleinen Leib meines Kindes an das Licht und die Luft hielten. Ein heiserer, starker Schrei zerriß die erschöpfte, stickige Stille des Zimmers. Ich mußte lachen und strich mir die schweißfeuchten Haare aus dem heißen Gesicht. »Peter Petrowitsch soll er heißen! Peter, wie sein Vater!«
    Darja war mit einem Mal sehr beschäftigt, und Anna Tolstoja wusch sich angestrengt die Hände in einer Porzellanschale mit warmem Wasser. Blumentrost drehte sich mit dem Kind zum Fenster, um es ans Licht zu halten. Dann drehte er sich mit dem Säugling zu mir. Das Kind sah mich ernst aus großen blauen Augen an. Blumentrost lächelte freundlich und sagte: »Ich fürchte, das wird nicht gehen, Euer Gnaden. Es ist ein Mädchen. Eine wunderhübsche kleine Tochter für unseren Zaren.«
    Es dauerte fast eine Woche, bis ich mich dazu überreden ließ, Elisabeth in den Arm zu nehmen. Peter jedoch war außer sich vor Freude und nannte sie seine kleine Siegerin von Poltawa. Ihre

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