Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
Vom Netzwerk:
Abendwind ein und wehten schmutzig und von Kanonenfeuer zerfetzt in der blauen Dämmerung. Peter besichtigte mit glänzenden Augen die Überreste von Karls hastiger Flucht: Dem schwedischen König selber war zwar zweimal sein Pferd unter dem Leib weggeschossen worden, dennoch war es ihm gelungen zu fliehen. Peter aber war von seinem Sieg und seiner Freude umgeben wie von einem Heiligenschein: Seine Haare waren vollkommen zerrauft, sein Mantel zu Fetzen zerrissen, und die blaue Schärpe um seine Brust mit dem Sankt-Andreas-Orden war von Blut und Rauch schwarz. Auch sein Gesicht hatte durch den Rauch der Schlacht die Farbe eines Mohren angenommen. Seine blauen Augen und seine Zähne leuchteten darin wie ein Licht, das seine Männer um ihn anzog wie Motten. Er selber besah ungläubig das persönliche Gefolge des Königs, das dort vor ihm kniete: Diener, Musikanten, Schreiber, Köche, Ärzte, Priester und Apotheker, die alle Karl zu Diensten mit ihm ins Feld gezogen waren. Peter aber zog mich zu einer zweiten Gruppe von Gefangenen: »Katerinuschka! Komm, und sieh dir das an, mein altes Mädchen! Ein Marschall, zehn Generalmajore, neunundfünfzig leitende Offiziere und elfhundert einfache Offiziere … und der Minister Piper!« Er griff einen kleinen Mann mit nur wenig Haaren und zusammengekniffenen Augen am Nacken und zog ihn auf diese Weise grob auf die Füße. Minister Piper reichte Peter gerade bis zum Ellenbogen und zitterte wie Schweinesülze.
    »Der leitende Minister des schwedischen Königs! Nun Piper, wir werden schon etwas zu tun finden für dich! In Sankt Petersburg müssen viele Straßen gepflastert werden, nicht wahr, Katerinuschka?« rief Peter. Er küßte mich und schlang die Arme um mich. Ich atmete seinen Geruch nach Leder, Schweiß und Pulver ein, und mein Gesicht schwärzte sich unter den Spuren des Kampfes auf dem seinen. Viele der schwedischen Offiziere senkten die Augen. Sie selber waren schon viele Jahren von all jenen, die ihnen lieb und teuer waren, getrennt. Peter aber rief: »Eine solche Frau bringt einem Mann den Sieg, Ihr Schweden! Freundlich, mutig, immer lächelnd und tüchtig wie ein Mann!«
    Sein Blick blieb auf dem Marschall haften.
    »Du bist doch Marschall Rehnskjöld?« Der Mann verstand seinen Namen und nickte.
    »Steh auf!« schrie Peter ihn unvermittelt an. »Auf deine Beine, Sauschwede!«
    Der verdiente Mann verstand nicht, erhob sich aber vor Angst zitternd auf seine Beine. Ich erschrak ebenfalls. Was wollte Peter tun? Seinen Ruhm und seine Freude über den Sieg durch eine niederträchtige Hinrichtung besudeln? Ich konnte spüren, daß auch Scheremetjew und Ronne sich versteiften.
    Peter trat vor den General. Er zog langsam sein mit Blut beflecktes Schwert aus der mit Juwelen verzierten Scheide, die ich selber in Kiew für ihn bestickt hatte. Die letzten Sonnenstrahlen fingen sich auf dem Stahl und sandten den Widerschein in die ersten Lagerfeuer, die auf den Hügeln aufloderten. Die Luft schmeckte nach Rauch, und ich sah, daß Rehnskjöld leise mit geschlossenen Augen betete. Ich erkannte das Vaterunser, das ich so oft im Hause der Glücks gebetet hatte. Peter griff den Marschall grob an den Haaren und riß ihm den Kopf in den Nacken, so daß er ihm tief in die Augen starren konnte. »Rehnskjöld – weißt du, wieviel Leid du über mein Land gebracht hast? Ein Krieger wie du wird nur selten geboren. Bei Narwa hat mich eine deiner Kugeln nur knapp verfehlt«, fauchte er ihn an.
    Mir wurden die Handflächen feucht. Der Marschall hatte sein Gebet beendet und sah Peter ruhig aus seinen Augen, blau wie der Himmel über Sankt Petersburg, an. Er wirkte unendlich müde und sagte auf schwedisch: »Ich habe Gott um Verzeihung für meine Sünden gebeten und bin bereit für den Tod, Zar Peter.«
    »Knie nieder«, befahl der Zar kurz und drückte seinen ehemaligen Feind zu Boden. Scheremetjew schloß die Augen. Ronne zog an seinen Fingern. Peter hob sein Schwert. Rehnskjöld rief einige letzte, ermutigende Worte zu seinen Männern. Einige der Schweden begannen zu weinen und legten ihr Gesicht in ihre Hände. Peter verharrte. Dann nahm er eine der vor Angst schlaffen Hände des Marschalls und legte sie um den mit Edelsteinen belegten Knauf seines Schwertes. »Nimm dieses Schwert als Zeichen meiner Wertschätzung, Marschall Rehnskjöld. Ich erlaube dir, es zu tragen.«
    Marschall Rehnskjöld, der verdiente, furchtlose Held zahlloser Schlachten, sank zu Boden. Er vergrub sein Gesicht in das vom

Weitere Kostenlose Bücher