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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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eine Karte der europäischen Länder ausgebreitet, und kleine Nadeln zeichneten darauf den Weg des Zarewitsch nach. Der Zar legte seinen vom Tabak braunen Finger auf die Stelle, an welcher die Hauptstadt von Österreich eingetragen war.
    »Wien!« sagte er mit Stolz in der Stimme. »Ich habe es gewußt! Was für einen Dummkopf habe ich gezeugt! Es ist eine Schande!«
    »Ich frage mich, wie Tolstoi ihn so schnell gefunden hat!« rief ich erstaunt aus.
    Peter lachte. »Ganz einfach. Alexej betrinkt sich an jedem Abend so ungeheuerlich, daß die Leute sich sowohl an seine Rechnungen als auch seine Untaten erinnern! Ein blinder Mann in der Nacht hätte den Nichtsnutz aufgespürt: Immer der Nase nach!«
    Wien! Ich war erstaunt, wie Alexej es tatsächlich wagen konnte, sein Gesicht dort zu zeigen. Er mußte verzweifelter sein, als ich es hätte ahnen können. Hoffte er auf die Gnade der Kaiserin, einer Schwester der armen Sophie Charlotte? Natürlich, vielleicht wußte diese nicht, was ihre kleine Schwester am Hof von Sankt Petersburg hatte erdulden müssen. Niemals hätte ich einem Mann Obdach gewährt, der meine Schwester zu Tode geprügelt hatte.
    Aber die isby von Livland waren nicht der Palast von Wien.
    Peter las mir die Stelle aus Weselowskis Brief vor, der von der nächtlichen Ankunft des Kronprinzen in Wien berichtete. »Der Kanzler Schönborn wurde um Mitternacht aus dem Schlaf gerissen. Der Zarewitsch war bereits in den Hof eingeritten und bat den Kanzler um eine Audienz. Der Zarewitsch soll sich vor dem Kanzler auf die Knie geworfen haben, und er flehte um Schutz für sich und seine Begleitung.« Hier hielt Peter im Lesen inne, und ich mußte ihn fest umarmen, bis er sich in seinem Zorn soweit beruhigt hatte, daß er weiterlesen konnte. Der Kronprinz von Rußland warf sich vor einem fremden Kanzler auf die Knie! Peters Hand zitterte noch immer vor Zorn, als er mit dem Vorlesen fortfuhr: »Alexej Petrowitsch Romanow bittet den Kaiser um den Schutz seiner Thronrechte und auch der Rechte seiner Kinder, heißt es. Karl VI. zögert jedoch nach meinem Wissensstand mit seiner Entscheidung. Der Friede mit Rußland liegt ihm am Herzen, und er will sich nicht in die Zwistigkeiten meines Zaren einmischen. Zudem befürchtet Wien einen russischen Angriff auf seine Besitzungen in Schlesien und Böhmen. Prinz Alexej und seine Begleitung halten sich in der Nähe der Stadt auf und erwarten dort eine Entscheidung aus Wien …«
    »Eine Entscheidung aus Wien!« schnaubte Peter durch die Nase. Seine Augen rollten in ihren Höhlen, und seine Faust schloß sich so fest um seine Knute, daß die Knöchel seiner Hände weiß hervortraten. »Die Entscheidung, mein Sohn, wird aus Sankt Petersburg kommen! Wart’ nur ab!« schrie er und fuhr mit seiner Knute so hart über einen Stuhl, daß die geschnitzte Lehne zerbrach.
     
    Der Winter kam, und Peter wartete. Ich hoffte nur, daß das Kind in meinem Leib nicht von all der Bitterkeit, die sein Vater seinem Halbbruder entgegenbrachte, Schaden nahm. Peter wollte sich vor den Augen des Kaisers in Wien weiterhin als würdiger Herrscher eines westlichen Reiches erweisen und sandte in meinem Beisein seine besten Wünsche zum Julfest nach Wien. Nur in einem Nachsatz schrieb er mit eigener Hand noch unter Makarows förmliche Worte: »Wir bitten Euch, Unseren Sohn, sollte er sich denn auf Eurem Gebiet befinden, unter sicherem Geleit zu Uns zu senden. Wir werden ihn mit väterlich liebendem Herzen und mit eigener Hand strafen und auf den rechten Weg zurückführen. Euer Euch liebender Vetter, Peter.«
    Als Peter jedoch die Antwort des Kaisers erhielt, war selbst ich über deren freche Gelassenheit erstaunt. Kaiser Karl sah Graf Weselowski bei seinem Neujahrsempfang in die Augen und sagte: »Soweit wir wissen, hat sich der Zarewitsch von Rußland nie auf Unserem Gebiet befunden.«
    Graf Weselowski konnte nichts anderes tun, als diese Antwort nach Mecklenburg zu übermitteln. Peter sandte ihm zwei Beutel Gold. Im kaiserlichen Haushalt in Wien lösten sich unter dem Glanz der Münzen einige Zungen. Der Zarewitsch war unter größter Geheimhaltung nach Tirol gebracht worden. Rumjanzew brauchte nicht lange, um bei seinen Nachforschungen von drei Gefangenen auf der Festung Ehrenberg zu hören. Die Burg lag wie ein Adlernest in den Tiroler Bergen, konnte er berichten. Uneinnehmbar, wie es schien. Einige Tage später, als Rumjanzew noch über eine gewaltsame Entführung des Kronprinzen nachdachte,

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