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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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gemacht hätte. Ich raffte meinen Rock und wollte mich erheben. »Nein, bleib«, befahl Peter mir. Ich gehorchte und ließ mich wieder in den Sessel zurücksinken. Makarow betrat gehorsam den Raum, eine leere Papierrolle in der einen Hand, Feder und Tinte in der anderen. Peter machte eine ungeduldig wedelnde Bewegung mit seiner Hand in Richtung eines Schreibpultes. Makarow nahm schweigend Schreibhaltung ein und sah seinen Herrscher aufmerksam an. Ich bemerkte zum ersten Mal die eisgrauen Haare, die seine Schläfen durchzogen, ebenso wie die Tränensäcke unter seinen dunk len Augen. Mit dem Zaren zu leben, ohne jedoch seine Riesenkraft zu besitzen, war nicht sehr erholsam.
    Peter besann sich einen Augenblick: »Mein Vetter in Wien – ich bin sicher, Ihr könnt Euch meine Pein vorstellen, als ich erfuhr, daß mein geliebter Sohn, der Rußland ohne meine Genehmigung verlassen hat, sich auf Eurem Gebiet befindet. Wir bitten Euer Majestät um eine angemessene Erklärung. Deshalb sende ich meinen treuen Peter Andrejewitsch Tolstoi, begleitet von dem Obersten Rumjanzew, zu Euch. Beide sind mit dem Aufenthaltsort des Zarewitsch vertraut und werden jede Begegnung mit ihm zu schätzen wissen. Mein Vetter, Ihr wißt: Nach jedem Gesetz Gottes und der Natur können weder ich noch Rußland dulden, daß Ihr uns in dieser Angelegenheit widersprecht. Mein Handeln wird von Eurer Entscheidung abhängen. Bis dahin verbleibe ich Euer Majestät liebender Vetter – Peter.«
    Er machte eine kleine Pause und dachte weiter nach. Durch die bunten Glasscheiben der Fenster fiel helles, freundliches Sonnenlicht, in dem die Staubkörner tanzten. Man hörte nichts außer dem Kratzen von Makarows Feder auf dem Papier. Schließlich hielt er inne und wiederholte sich versichernd: »Euer Majestät liebender Vetter – Peter.«
    Makarow stäubte etwas Sand über seinen Brief, ehe er einen Stummel Siegelwachs an eine Kerze hielt. Peter schien ihm dabei zuzusehen. »Ja, das ist gut. Der Hundsfott in Wien wird verstehen …«, murmelte er.
    »Wer?« fragte ich erstaunt, denn ich war in meine eignen Gedanken versunken.
    Peter wandte sich mir erstaunt zu. »Der Kaiser natürlich.«
     
    Der Kaiser in Wien verstand tatsächlich. Er wog Alexejs Wohl gegen einen russischen Angriff auf seine Liegenschaften in Schlesien und Böhmen ab. Die Entscheidung fiel ihm leicht. Einige Tage nach ihrer Ankunft in Wien reisten Tolstoi und Rumjanzew erneut nach Süden, dieses Mal jedoch unter der kaiserlichen Flagge. Sie wußten, daß der Kaiser den Vizekönig von Neapel, den Grafen Daun, gebeten hatte, Alexej auf das Gespräch mit seinen Jägern vorzubereiten. Vor ihnen lag keine leichte Aufgabe. Der Kaiser hatte sie wiederholt darum gebeten, Milde mit dem Zarewitsch walten zu lassen. Es war deutlich, daß er die Männer für gefährlich hielt und ihnen jede Untat zutraute. Ihren Briefen nach zu urteilen war die Reise nach Neapel schlimmer als jeder Zug durch Rußland zur Zeit der großen Schmelze. Der Himmel öffnete seine Pforten und weinte um den Zarewitsch, der Tolstoi und Rumjanzew in Neapel mit zitterndem Herzen und mutigem Gesicht entgegentrat.
    Die beiden Männer hatten Milde auf den Lippen und Verrat im Herzen.
    Selbstverständlich liebte der Zar seinen Sohn und vergab ihm. Selbstverständlich konnte Alexej auf freies Geleit nach Sankt Petersburg hoffen. Selbstverständlich konnte der Zarewitsch seine Geliebte heiraten, sobald sie in Rußland ankamen. Selbstverständlich konnte er in Ruhe und Frieden mit ihr leben, wo immer er es nur wollte.
    Tolstoi schrieb an Peter: »Es ist erstaunlich, wieviel wahre Zuneigung und Achtung der Kronprinz diesem Mädchen erweist.«
     
    Wir selbst erreichten Berlin in der Hitze des Augustmonats. Das die Stadt umgebende Land war trotz der glühenden Sonne grün und fruchtbar: Hunderte von Seen glitzerten zwischen saftigen Wiesen und kühlen, schattigen Wäldern, in denen das Holz dicht an dicht stand. Die Dörfer waren sauber und ordentlich, und ihre Wege wurden oft von Kanälen und Flußläufen begleitet. In Rußland hätte diese satte Zufriedenheit schon zum Aufstand geführt. Mir war soviel Sitte fast unheimlich! Peter ließ sein Pferd neben meiner Kutsche im leichten Trab gehen und hob den Voilevorhang, der mich vor der Sonne schützen sollte. »Wie gefällt es dir in Preußen, meine Zariza? Alles sehr sauber, was?« fragte er lachend und warf mir einen Kuß zu. Ich steckte meinen Kopf aus dem Kutschenfenster und musterte die

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