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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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was ich sagen konnte, um ihn zu beruhigen, und fuhr ihm nur stumm durch die Haare.
    Sein Blick ging an mir vorbei ins Leere, und er biß sich auf die Lippen. Dann fuhr er auf: »Niemand darf etwas erfahren, Katerinuschka! Höchste Geheimhaltung! Diese Peinlichkeit!« Ich nickte nur und hielt seine Hand fest.
    »Wo kann er sein? Wer will einem Feigling wie ihm denn Zuflucht gewähren?« fragte er wieder.
    »Ich weiß es nicht, mein Zar«, sagte ich, obwohl er seine Frage mehr an sich selbst gerichtet hatte. Ich sah ihn an und versuchte zu raten: »Freunde, vielleicht. Oder – Verwandte?«
    »Freunde? Der Prinz ist nur in Rußland von Schmeichlern umgeben. Niemand, der rechten Sinnes ist, will solchen Auswurf seinen Freund nennen. Und Verwandte? Wir haben keine Familie in Europa, außer Jekaterina hier in Mecklenburg.« Er überlegte wieder, und plötzlich hob er den Kopf.
    »Was ist es, batjuschka ?« fragte ich und umfaßte seine Hände.
    »Ich habe eine Idee, wo er sein könnte …, aber sie ist so ungeheuerlich, daß ich es nicht wage, sie zuende zu denken! Verwandte, sagst du, matka ? Verwandte?« Eine ungesunde, fleckige Röte überzog sein Gesicht.
    Ich war unfähig, seinen sich windenden und wirbelnden Gedanken zu folgen. Peter jedoch sprang auf und riß die Tür zu meinem Vorzimmer auf. Der Diener, der sich dagegengelehnt hatte, rang um sein Gleichgewicht und mühte sich, beim Anblick des Zaren strammzustehen. Peter gab ihm jedoch noch einen Stoß an die Schulter und schrie ihn an: »Los, Mann, beweg’ dich, wenn du deinen dummen Kopf auf deinen Schultern behalten willst! Hol’ mir Peter Andrejewitsch Tolstoi und Rumjanzew! Bring’ mir Feder, Papier und Tinte! Und zwar schnell!«
    Der Diener stolperte davon, und Peter wandte sich wieder mir zu. Ein grausam entschlossener Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Ich wagte es kaum, mich zu rühren. Er ging ungeduldig in meinem Zimmer auf und ab und murmelte halbe, mir unverständliche Sätze. Dabei warf er die Hände in die Luft und trat nach den zierlichen Möbeln meiner Zimmerflucht. Dann verfiel er wieder in unheilvolles Schweigen.
    »Weshalb läßt du nach Tolstoi und Rumjanzew schicken?« wagte ich ihn schließlich doch zu fragen.
    Er sah auf. »Weshalb die beiden Galgenvögel? Weil, Katerinuschka, sie beide die besten Spürhunde im Reich sind.« Er lachte bitter auf. »Ihnen ist noch keine Beute lebendig entkommen!«
    Mir schauderte bei seinen Worten. Er jedoch drehte mir den Rücken zu und sah schweigend aus dem Fenster, bis es an die Tür klopfte. Peter selber ging, um sie zu öffnen. Ich erkannte im Vorzimmer die vertraute, breite Gestalt von Peter Andrejewitsch Tolstoi. Rumjanzew stand hinter ihm.
    »Tolstoi, laß dein Pferd satteln. Du mußt mir einen Flüchtling aufspüren. Ich werde dir einen Begleitbrief diktieren.«
    Ich hörte Tolstoi noch lachen: »In welche Richtung ist das Wild denn abgegangen, mein Zar?«
    »Nach Wien, Tolstoi, nach Wien«, antwortete Peter schlicht und zog die Tür hinter sich zu. Ich sah gerade noch, wie sich ein erschrockenes Verstehen auf Tolstois Gesicht ausbreitete, das jedoch gleich darauf einer grausamen Entschlossenheit wich.
     
    Ich blieb allein in meinem Schlafgemach zurück. Erste schwere Regentropfen schlugen gegen die Fensterscheiben, und die Flammen der Kerzen begannen unstet zu flackern. Der Herbst kam nach Mecklenburg. Ich sah hinaus in den Schloßpark, wo einige Spaziergänger eilig Zuflucht vor dem Regen suchten. Die Bäume beugten sich im aufkommenden Sturmwind. Ein Blitz zuckte über den Himmel und erleuchtete die Dächer der Stadt hell wie an einem Sommertag. Nach Wien, hatte Peter gesagt.
     
    Peter hatte, solange ich ihn kannte, die Jagd verabscheut. Er hielt sich keine Hundemeute. Er verwendete Waffen nur in der Schlacht. Wildbret war ihm nur auf seinem Teller wichtig. Nun aber verfolgte er mit Eifer und Hingabe die Hatz seiner Männer auf den Zarewitsch, seinen Sohn.
    Tolstoi und Rumjanzew nahmen seine Fährte mühelos auf. Der Zarewitsch hatte als Oberstleutnant Kochanowski mit Frau und Diener in Frankfurt an der Oder übernachtet. In Neiße kaufte er Afrosinja Männerkleider aus kaffeebraunem Samt, so schrieb Rumjanzew uns nach Mecklenburg. In Prag, erfuhr Tolstoi, gab er sich als ein polnischer Händler namens Krementsky aus. Dann, so erfuhren wir von Peters Gesandtem in Wien, dem Grafen Weselowski, erschien Alexej tatsächlich in der Hauptstadt des Kaiserreichs. Peter hatte auf seinem Schreibtisch

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