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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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hatte ihn eh’ schon in einen frommen Furz verwandelt, daß es einen grausen konnte!«
    »Hat sie dich empfangen? Wie sah sie aus? Wie eine Königin?« fragte ich neugierig und nahm einen Schluck von dem klebrigen, süßen Rheinwein. Die Geschichte der Witwe Scarron, die zur Erzieherin der Königskinder und schließlich zur Herrscherin des Königshofes in Versailles aufstieg, fesselte mich. Peter leerte seinen Humpen holländisches Bier in einem Zug und wischte sich mit seinem Ärmel den Schaum vom Mund. Er rülpste, klatschte nach dem Mundschenk in die Hände und lachte: »Nein, sie gab vor, krank zu sein, die alte Schachtel. So hab’ ich ihre Weiber an der Tür beiseitegescheucht und habe sie unangekündigt besucht. Sie lag wirklich noch im Bett! Krank war sie aber nicht.«
    Ich sah ihn ungläubig an, als er fortfuhr: »Und wirklich, ich sage dir, wo der Teufel selber nicht hinkommt, da schickt er ein altes Weib! Sie hat geschrien wie am Spieß, als sie mich sah, und ihre Haut war überall ganz welk und wabbelig – brrrrr.« Er schüttelte sich vor Ekel und zwickte mich fest in den Schenkel. »Da lob’ ich mir meine dralle Katerinuschka! Alles dran, was ich brauche! Und auch noch kräftige Knochen … Aber der kleine Louis ist ein süßer Junge. Er hat ein bißchen zuviel Puder und Schminke im Gesicht, aber wenn er mal ein Mann ist, dann wird er gerade recht für unsere Elisabeth sein. Königin von Frankreich! Unsere Tochter! Was sagst du dazu?«
    Ehe ich antworten konnte, rülpste er nochmals froh und meinte dann: »Weißt du, ich bin froh, wenn wir bald wieder nach Hause kommen. Ich verspreche dir, wir bleiben nicht zu lange in Berlin. Dann geht es nach Sankt Petersburg! Peter Petrowitsch muß ja schon fast laufen können!« Er sprang unvermittelt auf und schrie in die trunkene Runde: »Füllt die Tassen! Ein Hoch auf den Zarewitsch! Ein Hoch auf Peter Petrowitsch!«
    Ich sah, wie die Gesandten verstohlene Blicke austauschten. Sie alle wußten, daß der Kronprinz Alexej auf der Flucht irgendwo in steter Todesangst lebte. Dennoch hoben sie die Tassen und tranken auf das Wohl eines Kindes, das gerade erst laufen lernte. Ich lachte voll Stolz. Peter selbst sah ihnen zufrieden zu und begann, sich die Fingernägel mit einem verrosteten Pfeifenstopfer zu reinigen. Der Mundschenk füllte ihm das Glas von neuem, und er leerte es wieder in einem Zug.
     
    Wußte Alexej, welche Bluthunde sein Vater ihm auf die Fersen gesetzt hatte? Schmeckte er den bitteren Schweiß auf Tolstois Stirn? Fühlte er den Schmerz in Rumjanzews weichgerittenen, blutigen Gliedern? Störten denn die von Haß erfüllten Gedanken, die ihre von Schlaflosigkeit und Ehrgeiz verbrannten Hirne gebaren, nicht die Stille seiner Träume? Trug denn der weiche Wind des Südens ihren Eifer und ihren Haß nicht wie einen Pesthauch vor sich her, wenn Alexej dort auf den Zinnen der Festung von Sankt Elmo bei Neapel stand?
    Sankt Elmo: Der Kaiser hatte Alexej hinter die kühlen Mauern der Festung mit dem schattigen Garten voller Orangenbäume und einem Blick weit auf die Bucht von Neapel gesandt. Afrosinja, so wurde Tolstoi berichtet, erwartete ein Kind vom Zarewitsch. Der Prinz selber, so hieß es in den Gerüchten, die Rumjanzew eifrig sammelte, sei halb wahnsinnig vor Furcht vor seinem Vater.
     
    »Er hat ihn! Er hat ihn gefunden!« Peters Gesicht war weiß vor Anspannung und seine Fäuste im Triumph geballt. »Der Kaiser glaubt ihn sicher in seinem verfluchten Sankt Elmo! Dabei sitzt der Zarewitsch dort in der Falle! Ganz wie eine dreckige Ratte!«
    Er hob den Kopf und seine Augen leuchteten. »Ein Brief! Ich muß sofort einen Brief nach Wien schicken. Der wollte mich für dumm verkaufen, dieser Krämer auf dem Kaiserthron. Na, dem werde ich es zeigen! Ha! Ich wollte schon immer einmal nach Italien! Und wenn es sein muß, dann nehme ich noch vierzigtausend Soldaten mit! Vielleicht ist Karl dann gesprächiger!« Er riß die Tür auf und bellte durch den Gang in das gegenüberliegende Studierzimmer, dessen Tür ob der Sommerhitze offenstand: »Makarow!«
    Ich sah, wie der Kabinettssekretär zusammenzuckte. Er war gerade dabeigewesen, die letzten Nachrichten über den Verlauf des großen Nordkrieges zu sichten und sorgfältig nach Wochen und Monaten zu unterteilen. »Makarow! Beweg’ deinen faulen Arsch, sonst kommt er auf den Pfahl!« rief Peter noch einmal. Ich vermißte den scherzhaften Unterton in seiner Stimme, der seinen letzten Satz erträglich

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