Die Zarin (German Edition)
aus dem der Götze geschlagen war. Peter lachte mit einem Mal wieder friedlich. »Na also, es geht doch.« Er wandte sich an Friedrich Wilhelm und schlug ihm auf die Schulter. »Mein Bruder in Berlin – da dies Euer bester Besitz ist, werde ich ihn gnädig als Geschenk annehmen!«
Der König blickte verwirrt und fand zunächst keine Worte. Ich fürchtete die nächsten Augenblicke: In Dänemark hatte der König Frederik Peter einen seltenen, balsamierten Körper aus Afrika als Geschenk verwehrt. Daraufhin trat Peter an das Glas, unter dem die Mumie lag. Er hob den Glasdeckel und brach dem Körper kurzerhand die Nase ab. Dann drehte er sich mit der Nase in der Hand und einem sonnigen Lächeln auf den Lippen zu Frederik von Dänemark um: »Jetzt kannst du deine Mumie behalten!« sagte er schlicht.
Aber die Gesetze der Höflichkeit verboten an jenem Abend dem preußischen König jeden Widerspruch. Natürlich konnte Peter den Götzen mitnehmen, sogar mit Freude! »Gibt es noch etwas, was mein geliebter russischer Vetter haben möchte als Andenken an Berlin?« fragte Friedrich Wilhelm zum Spaß.
Ermutigt wandte Peter sich an die Königin. »Wenn du schon fragst, mein Bruder – auch das Bernsteinzimmer möchte ich gerne haben! Es soll als Erinnerung an die preußisch-russische Freundschaft in Sankt Petersburg eingebaut werden! In mein schönstes Schloß, das verspreche ich Euch!«
Wir verließen Schloß Mon Bijou zwei Tage später. Das Lieblingsschloß der Königin von Preußen war bei unserer Abreise nicht wiederzuerkennen. Ich ging durch die vollkommen geformten Räume, in die das Sommerlicht durch hohe, geschliffene Fenster fiel. Sie tat mir von Herzen leid. Einige der Scheiben waren eingeschlagen. Die weichen persischen Seidenteppiche waren zertreten und mit Brandlöchern zersetzt. Die Vorhänge aus schimmerndem bel gischem Damast hingen in Fetzen von ihren Stangen. Das vergoldete Wandpaneel war heruntergerissen, und auf die Wand dahinter war geschossen worden. Das böhmische Kristall der Leuchter und das Elfenbein der Kerzen ständer waren zerbrochen. Die Delfter Kacheln der Öfen waren zersplittert und Ruß über das feine Parkett getreten. Die Kacheln an den Wänden waren abgeschlagen und verpackt worden. Auf jedem Möbelstück hatte eine grobe Hand sich im Schnitzen geübt, und die Gesichter der brandenburgischen und hannoverschen Ahnenbilder waren zerschnitten. Peters Männer hatten auf ihre Art gefeiert, während wir die Schlösser und die Stadt besuchten.
Unser Zug nach Rußland war um sechs Wagen bereichert worden: Das Bernsteinzimmer wurde in aller Eile von den Wänden geschält und in vierzig schwere Kisten verpackt. Der ekelerregende Götze reiste in meiner Kutsche mit. Ich verhängte ihn mit einem Tuch, aber vielleicht tat er doch seine geheimnisvolle Wirkung: Nachdem wir mit den ersten Herbststürmen in Sankt Petersburg ankamen, war ich wieder guter Hoffnung.
Alexej erreichte Moskau im tiefen Winter. Es hieß, daß sich die Menschen auf seinem Weg vor ihm auf die Knie warfen und um sein Wohl beteten, wo er sich nur zeigte. Die Geschichte seiner Flucht war natürlich nicht hinter den Palastmauern gefangenzuhalten gewesen. Für viele Menschen war der Zarewitsch nun ein Zeichen der Hoffnung: Jemand wagte es, sich gegen den allmächtigen, zornigen und ihnen oft so unverständlichen Herrscher aufzulehnen. Wer dies wagte, war nicht irgend jemand. Es war sein eigener Sohn.
Peter lief ungeduldig vor den Fenstern des Kreml auf und ab. Von dort aus hatte er den Roten Platz im Blick. Von dort mußte Alexej ja kommen. Er hatte seinem Sohn doch Vergebung und Milde geschworen, sollte er nach Rußland zurückkehren. Er hatte geschworen! Bei Gott, dem Christ und dem heiligen Geist.
Ich fragte mich, ob der weiße Frost von Moskau sich augenblicklich auf das Herz des Zarewitsch legte. Denn als ich ihn dort nach langen Monaten wiedersah, schien er vor Furcht starr und keines klaren Gedankens mehr fähig. Afrosinja war mittlerweile in Berlin angelangt und hatte es ob ihres fortgeschrittenen Zustandes mit der Weiterreise nicht eilig. Dennoch forderte sie gierig Sendungen von Essen: Sie wollte gepreßten und frischen Kaviar, geräucherten und marinierten Lachs, gewöhnlichen Stockfisch und Säcke von Maismehl für kascha .
Alexej war bereits vier Tage in der Stadt, als Peter ihn vor einen eigens einberufenen Rat kommen ließ. Der Zar hatte mir die Teilnahme daran verboten. Fürchtete er meinen
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