Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
Vom Netzwerk:
um so fester an die Brust zu drücken.
    Die Königin und ich küßten uns und tauschten höflich auf deutsch Komplimente aus. »Schwester! Endlich seid Ihr in Berlin. Mein Gott, Ihr habt nun fast ganz Europa gesehen – Ihr müßt mir berichten! Wie gefällt es Eurer Nichte in Mecklenburg? Und habt Ihr auch Gemälde Eurer Töchter mitgebracht? Ihr wißt, unser Friedrich ist fast in heiratsfähigem Alter.«
    Dies sagte sie mit einem Liebreiz, der ihren Mann noch bodenständiger erscheinen ließ. Insgeheim dachte ich bei mir jedoch, wie erschöpft sie aussah. Der Soldatenkönig zwang ihr ein Leben ohne sonderliche Bequemlichkeit auf und reiste ruhelos durch seine weitverzweigten Liegenschaften. Er besuchte dabei seine Truppen, denn auch in Friedenszeiten mußte Preußen ein stehendes Heer von fünfzigtausend Mann aufweisen.
    Die Königin musterte meine Hofdamen, die alle nach russischer Art kalkweiß geschminkte Gesichter hatten, auf denen die karmesinroten Wangen grellrot hervortraten. Keine der Damen in Berlin war auf derartige Weise geschminkt, fiel mir auf. Peter hatte schon viele Monate vor dem Besuch in Berlin meine vertrauten Hofdamen und adligen russischen Vertrauten austauschen lassen. Sie waren nun wohl schon in unserer Heimat angelangt. Um ihnen Spott anzutun, traten auf seinen Befehl grobe Mägde ohne Rang und Schliff an ihren Platz. Als Peter die Weiber zum ersten Mal in Schminke und teuren Kleidern sah, wollte er sich ausschütten vor Lachen.
    Die kleine Prinzessin Wilhelmine von Preußen knickste höflich vor mir und zupfte dann an den zahllosen Ikonenbildern, die an meinem Gewand festgenäht waren.
    »Weshalb hast du diese bunten Bilder am Kleid? Les images font beaucoup de bruit! « stellte sie mit neugierig gerunzelter Stirn fest.
    »Das ist die Mode in Sankt Petersburg, Wilhelmine. An einem jeden Ort kleidet man sich anders«, unterbrach die Königin ihre Tochter rasch. Ich jedoch strich dem Mädchen über den Kopf. Sie konnte kaum älter als Elisabeth sein.
    »Sie sollen mich vor Bosheit und Unglück bewahren, Prinzessin Wilhelmine«, antwortete ich freundlich. Das Kind gefiel mir: Sie schien hellwach und begabt zu sein.
    Der König verabschiedete uns mit einer Einladung für den folgenden Abend. »Wenn wir das leidliche Staatsfressen heute abend hinter uns haben, können wir uns morgen zu einem zwanglosen Souper in meinen Gemächern treffen. Keine Schneckedenzchen, einfach ein Beisammensein. Nichts geht über eine gute Erbsensuppe und Schweinebraten mit fetter Kruste.« Er stieß den Zaren in die Seite. »Und unser Bier! Unser gutes, deutsches Bier! Nicht so ein laues Gesöff wie in Holland. Damit kann man ja kaum Blumen gießen, ohne daß sie einem verwelken!«
    Peter nickte erfreut, denn das endlose, steife Zeremoniell in Paris hatte ihn zutiefst ermüdet. Friedrich Wilhelm musterte mich freundlich. Er sprach seltsam abgehackt, so, als müsse er selbst an Zeit und Atem sparen: »Weiß nicht, wie es der Zariza ergeht. Möchte all die wieselnden Höflinge am liebsten in den Arsch treten! Habe sowieso fast alle Lieblinge meines Herrn Vater außer Dienst gesetzt. Am liebsten ist mir ein schlichter, aufrechter Junker! Ihm kann ich ins Herz sehen und ihm vertrauen!«
    Die Königin unterbrach die polternde Rede ihres Mannes auf liebenswürdige Art: »Mein Sohn spielt allerliebst die Querflöte. Wenn Ihr möchtet, wird er ein kleines Konzert geben.«
    Der König verzog das Gesicht. »Weiberkram. Der Prinz Friedrich soll lieber exerzieren, anstatt Flöte zu spielen. Die Flausen werde ich ihm noch austreiben. Laß’ mich nur machen.«
    Mir entging nicht, wie Wilhelmine ihren Vater bei seinen Worten düster ansah. Peter jedoch spitzte die Lippen, als wolle er ein Lied pfeifen, und zog seine kurze Perücke vom Kopf, um damit eine spaßhafte Verbeugung anzudeuten. »Dein Wort in Gottes Ohr, mein königlicher Bruder! Bis heute abend.«
    Peters Geschenk, die langen Kerls aus Rußland, bekamen gerade im Schatten der Kuppel von Charlottenburg ihre neuen Lager zugewiesen, als wir aus dem Schloß traten. Viele von ihnen heulten wie die Hunde, als sie verstanden, daß es nun Abschied nehmen hieß von ihren russischen Freunden. Während der Kutscher noch die Karosse vor uns zum Stehen brachte, sagte Peter wie zu sich selbst: »Die Enkel der Gründer sind das Beste, was einem Reich passieren kann. Die Enkel der Gründer. Danach ist alles verloren. Prinz Friedrich spielt die Flöte, und mein Sohn flieht volltrunken

Weitere Kostenlose Bücher