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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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bitte, ich habe keine Kraft …«, jammerte er. Peter fuhr ungerührt fort.
    »Und noch einer …, mal sehen, was du hier zu sagen hattest. Oh, an den Senat von Rußland! Hör’ gut zu: ›… Die Grausamkeit und die Mißwirtschaft meines Vaters haben mich gezwungen, das Land zu verlassen. Weshalb mein Vater nicht mich, aber die Kinder seiner zweiten Frau von Herzen liebt, ist mir unbekannt. Peter Petrowitsch ist ein schwacher, kränklicher Junge, der jederzeit sterben kann. Der Zar selber kann bei seinem Lebenswandel jeden Augenblick von uns gehen. Ich bin vom Schicksal dazu ausersehen, über Rußland zu herrschen, gebt mich noch nicht der Vergessenheit anheim. Ich werde danach trachten, das Althergebrachte wiederzubeleben, und es wird Euer Schaden nicht sein.‹« Peter machte eine kurze Pause. Er holte tief Atem, ehe er langsam und deutlich die letzten Sätze las: »›Wenn ich Zar bin, so werde ich Sankt Petersburg der Vergessenheit anheimfallen lassen. Ich werde nach Moskau zurückkehren. Ich werde die Flotte verbrennen und das Heer auflösen. Ich werde alle Fremden verjagen lassen. Ich werde die Kirche und unseren Gott ehren …‹«
    Er hielt inne. Nun hatte auch Afrosinja ihren Kopf in ihre Arme vergraben. Eine unheimliche Stille lag über dem Raum. Die Spannung, die zwischen dem Zaren und seinem Sohn herrschte, schluckte das Rauschen des Meeres, die Stimmen der Soldaten vor dem Haus, den Gesang der Vögel in den Bäumen, das Ticken der Uhren. Es gab nur noch die beiden Männer, verbissen in einem unsinnigen Kampf, den das Leben ihnen aufgezwungen hatte: Alexej, der wie tot am Boden lag. Und Peter, der ihn anstarrte.
    »Setz’ dich auf, Alexej«, hörte ich Peter mit nun ruhiger Stimme sagen.
    Der Zarewitsch gehorchte und zwang seine zitternden Glieder in die Gewalt seiner Sinne. Peter sagte mit heiserer Stimme. »Ich klage dich als Herrscher aller Russen des Hochverrates an meiner Person und dem Reich an. Gestehst du?«
    Ich vermochte kaum zu atmen.
    Alexej wandte langsam seinen Kopf zu Afrosinja. In seinen Augen war kein Haß und kein Zorn auf sie zu lesen. Was ich dort sah, war nichts als Schmerz und Verlorensein. Die Tränen rannen ihr über die Wangen, aber sie wich seinem Blick nicht aus. Alexej sah wieder zu seinem Vater. Die grauen Züge seines Gesichtes lösten sich auf, zerrissen vor Pein und Scham.
    »Ich gestehe, mein Zar und Vater«, sagte er leise. So leise, daß seine Worte sich fast in dem Lecken der Wellen über die Kiesel am Strand vor Mon Plaisir verloren.
     
    An jenem Nachmittag teilte sich meine Seele. Eine Frau blieb gehorsam in Mon Plaisir bei dem hassenswerten Geschehen und seinen Spielern. Sie gehörte auf immer zu Peter. Sie liebte ihn aus einer langen, frohen Erinnerung heraus. Sie atmete dieselbe Luft wie er und teilte sein Bett, sollte er noch danach verlangen. Sie strahlte im Abglanz seines Lichtes, so daß niemand es wagte, ihr nahezukommen. Niemand hörte so den hohlen Klang, mit dem ihr Herz gegen ihre Brust schlug.
    Eine andere Frau jedoch löste sich von dem Schein ihres Daseins und ging ruhigen Schrittes hinein in mein Herz. Peter konnte ihrer nicht habhaft werden, denn sie verbarg sich auf dem kühlen Grund meiner Seele. Lange Zeit trieb sie dort wie ein Boot ohne Ruder auf dem Strom meines Lebens. Bis zu dem Tag, an dem der Blick eines anderen Menschen sie in einen letzten Hafen trug. Ich schmecke den süßen Wind des Ufers von Mon Plaisir noch heute auf meinen Lippen. Im Gedanken daran wird der Zucker zu Salz, und ich erinnere mich an seine geflüsterten Worte: Die Farbe von Schnee, der Geschmack von Tränen und die Weite der Ozeane.
     
    Es war noch sehr früh am Morgen, als Boris Petrowitsch Scheremetjew danach verlangte, mich zu sehen. Es war der erste Tag, an dem ein Gericht über Alexejs Schicksal entscheiden sollte. Ich rieb mir die Augen und setzte mich auf. Mein Kopf drehte sich etwas, und ich spürte das Kind in meinem Leib sich empört gegen die frühe Störung zur Wehr setzen.
    »Wer ist es?« fragte ich überrascht Anna Kramer, die mir einen Besucher meldete.
    Anna antwortete: »Der Fürst Boris Petrowitsch Scheremetjew. Ich habe ihm gesagt, es sei zu früh, um Euch zu sehen – der parikmacher war noch nicht einmal hier!«
    Ich lachte rauh auf und stieß selber einen der schweren Bettvorhänge zurück. »Wenn es einen Mann auf der Welt gibt, der mich in der für eine Frau mißlichsten Lage gesehen hat, dann Scheremetjew. Er darf zu jedem Zeitpunkt kommen,

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