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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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ich solange überlebt, um mich nun vor einem Klopfen an der Tür zu fürchten? Und wenn der Teufel selber vor der Tür stünde, so wollte ich ihm ein Gläschen Wodka anbieten, ehe er mich mitnahm!
    »Das werden wir gleich sehen!« rief ich deshalb und riß die Tür auf. In meinem Vorzimmer stand Alexander Danilowitsch Menschikow. Hinter ihm kauerte eine kleine Gestalt, die ihm den Weg geleuchtet hatte. Ich konnte sehen, daß der Mann verkrüppelt war und statt Kleidern Lederfetzen trug, die er mit Schnüren an seinem Körper hielt. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, denn er trug eine Kapuze. Menschikow griff so kraftvoll nach meinen Handgelenken, daß ich leise aufschrie.
    »Katharina Alexejewna, du mußt augenblicklich mit mir kommen! Jede Minute zählt. Er wird wahnsinnig! Er wird mir noch wahnsinnig!« stammelte er. Sein saurer Geruch nach Schweiß und Blut stieg mir in die Nase, und seine Augen lagen tief in ihren Höhlen vor Erschöpfung. Auf seiner Haut waren einige dunkle Flecken zu sehen. Ich löste eine meiner Hände aus seinem Griff und fuhr mit einem Finger darüber. Menschikow ließ es geschehen. Ich schnupperte an meinem Finger. »Das ist Blut. Hast du dich geschlagen? Ist etwas mit dem Zaren?« fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf, und die zerlumpte, gebeugte Gestalt hinter ihm hob das Licht höher. Ich unterdrückte einen Aufschrei. Menschikows gesamtes Gewand war von Blut durchtränkt. »Das ist das Blut des Zarewitsch. Komm, ich flehe dich an!« wisperte er. »Komm schnell.«
    »Nicht alleine!« bestimmte ich in einem Anfall von Mißtrauen. »Anna, zieh dir deinen Mantel über«, befahl ich dem Mädchen, während ich mich selbst in meinen Umhang aus grünem Samt wickelte. An meine Füße zog ich Stiefel. Anna zog sich ebenfalls einen leichten Umhang über ihr Nachtgewand, und so folgten wir Menschikow und dem verkrüppelten Wärter der Peter-und-Pauls-Festung durch die dunklen Gänge des Sommerpalastes hinunter an den Fluß.
    Über dem hellen Wasser der Newa lagen Nebelschleier, die sich auf der anderen Seite des Flusses zu Nestern verdichteten. Als ich auf dem Boot stand, zogen sich die Schwaden in Wirbeln um meine Knöchel. Sie saugten sich gierig in den Saum meines Nachtgewandes, das feucht an meinen Waden klebte. Ich konnte in den Uferböschungen Liebespaare ausmachen, die die hellen Nächte zu ihren Gunsten nutzten. Für diesmal entbehrten die klaren Stunden der Nacht jedes Zaubers: Eine Nacht, in der es nicht dunkel werden wollte, erschien mir nun wie ein Gleichnis des Wahns, der mitten unter uns herrschte.
    Menschikows düsterer Begleiter stieß mit einem langen Stecken unser Floß vom Ufer ab, und Anna Kramer kauerte sich auf die Planken, während er geduckt, aber mit starken und gleichmäßigen Stößen das Boot auf dem stillen Fluß vorwärtstrieb. Menschikow und ich standen nahe beieinander. Ich sah, wie er seine Finger ineinanderschlang, um ihr Zittern zu beruhigen.
    Am Newa-Tor konnte ich weitere Gestalten erkennen, die uns bereits erwarteten. Apraxin reichte mir seinen Arm, um mir aus dem Boot zu helfen. Menschikow selber hob Anna Kramer auf den Kai.
    In den Gängen der Trubetzkoi-Bastion rann Wasser von den grob behauenen Wänden und bildete Pfützen auf dem unebenen Steinboden. Dort, wo der stinkende, Übelkeit erregende Schein der zischenden Pechfackeln nicht hinreichte, sah ich Ratten sich in die Schatten flüchten. Es roch nach Moder, nach faulem Essen und nach Tod. Bei all den Feldzügen an Peters Seite hatte sich dieser eine Geruch für immer in meiner Nase festgesetzt. Ich folgte Menschikow stumm durch die Gänge, und ich griff beruhigend nach Annas Hand. Ihre Finger klammerten sich mit erstaunlicher Kraft um die meinen. Schließlich blieben wir vor einer Tür aus dickem Eichenholz stehen, die mit Eisenbändern verstärkt war. Das kleine Fenster daran war mit Pech zugeklebt worden. Ich zog unwillkürlich meinen Umhang um meinen Hals zu. Menschikow öffnete die Tür. Dahinter verbarg sich eine kleine Zelle mit Wänden aus kaltem, grauem Stein. Ein Fenster war in die Wand eingelassen, aber es war mit Brettern verrammelt worden. In einer Ecke stand eine Pritsche, auf der ein Körper bis zum Kinn zugedeckt lag. Die Schatten zweier Nachtlichter tanzten durch den Raum wie die Geister der Unglückseligen, die diese Mauern verschluckt hatten. Ich hatte kaum Zeit, meine Umgebung wahrzunehmen, als sich ein Mann mit Wucht vor mir zu Boden warf und seine Arme so fest um meine Knie

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