Die Zarin (German Edition)
zum Geschenk machen wollte: Peter hatte für den schwarzen Jungen, den Tolstoi damals aus Konstantinopel mitgebracht hatte, die Patenschaft übernommen. Abraham Petrowitsch stand neben ihm und ließ die Vögel ihre Worte wiederholen: »Gib mir zu saufen! Gib mir zu saufen!« krähte der eine.
Der andere antwortete: »Dafür bezahlst du mit deinem Kopf, du Hundsfott!«
Peter wollte vor Lachen schier platzen und füllte etwas Wodka in ihre Tränke. »Das macht sie noch geschwätziger!« hörte ich ihn sagen, als Abraham neben ihm mit seinen großen weißen Zähnen lachte. Seitdem der Mohr seine von Peter bezahlte Erziehung in Paris beendet hatte, war er noch liebenswerter geworden. Ich fragte mich einen Augenblick, ob es stimmte, daß er das Bett einer Prinzessin Mussin-Puschkin teilte.
Menschikow ging zu dem Boten.
Der Mann verneigte sich. Trotz des weichen Kerzenlichts konnte ich die Erschöpfung in seinem Gesicht erkennen. Alexander Danilowitsch griff ihn am Arm und neigte seinen Kopf nahe an die Lippen des Boten, um dessen hastige Worte besser zu hören. Ich sah, wie Menschikow sich langsam vor Erstaunen die Hand vor seinen Mund legte. Er drehte sich zum Zaren, der sich gerade den Vogel auf die Schulter setzte und an dessen roten und blauen Schwanzfedern zupfte. Abraham zog an seinem goldenen Ohrring, der fast bis auf seine Schulter reichte, und der Vogel schnappte gierig danach. »Hundsfott, Hundsfott!« krächzte er dabei und Peter jubelte und umarmte den Mohren. Er küßte ihn auf seinen vollen Mund und rief: »Was für ein schönes Geschenk! Ich werde sie in Mon Plaisir halten!« Abraham erwiderte den Kuß seines Herrschers: Er schlang seine samtigen Arme um ihn, so daß man die Muskeln unter seiner Haut spielen sah. Einige Damen, so schien es mir, seufzten leise, und ich unterdrückte ein Lächeln.
Menschikow bahnte sich langsam seinen Weg durch die Menge, hin zu Peter.
Ich raffte meinen Rock und trat neben den Zaren. Peter sah auf. »Was machst du so ein griesgrämiges Gesicht, Alekascha«, sagte er bei Menschikows Anblick und grinste. »Bist du etwa eifersüchtig auf meine Vögel?«
Alexander Danilowitsch verneigte sich und sagte mit ungewohnt getragener Stimme: »Mein Zar – der König von Schweden, Karl der Zwölfte, ist tot.«
Peters Hand fuhr fort, über die Federn des Vogels zu streichen. Das Tier knabberte an seiner Schulterklappe. Er zwinkerte verwirrt. »Tot?« wiederholte er nur, ohne das Gehörte recht zu begreifen. Menschikow nickte. »Eine irregeleitete Kugel – so sagt man zumindest. Der König belagerte die Festung Frederiksten in Dänemark. Er wurde in den Fuß geschossen. Seine Soldaten haben ihn für Tage mit sich getragen. Doch die Wunde eiterte. Sein eigenes, giftiges Blut soll ihn dann getötet haben.«
Ich sah den Boten neben der Tür erschöpft auf einem Stuhl sitzen. Er trank durstig aus einem Humpen Bier und hieb seine Zähne in eine Schweinshaxe. Der arme Mann mußte fast eine Woche nicht aus dem Sattel gekommen sein, um so rasch hierher zu kommen. Peter nahm den Vogel von seiner Schulter und gab ihn Abraham zurück. Er klatschte in die Hände. Die Musik verstummte, und um uns wurde es still.
»Ich habe soeben erfahren, daß mein Vetter, der König der Schweden, einer hinterlistigen Verwundung erlegen ist«, erklärte er mit getragener Stimme. »Karl der Zwölfte ist tot!« rief er dann. »Der Feind Rußlands ist nicht mehr!«
Seine Worte fielen unter Menschikows Gästen wie Steine in ein tiefes Wasser, doch sie schlugen keine Wellen, sondern zogen nur Kreise eines erstaunten Schweigens. Karl war so lange Teil unseres Lebens gewesen, daß wir uns die Tage ohne ihn nicht vorstellen konnten. Peter selber griff nun zu seiner Adlertasse, die neben den Käfigen der bunten Vögel stand.
»Die dunklen Wolken sind vom Himmel gezogen! Es lebe das Licht!« rief Peter wieder und hob seinen Humpen an die Lippen. Ehe jedoch die Gäste in seinen Trinkspruch einfallen konnten, hörten wir jemanden aufweinen. Peter wandte seinen Kopf in die Richtung des Lautes. Als ich seinem Blick folgte, stockte mir jedoch der Atem: An einem Tisch nahe bei den Vögeln saß die schönste junge Frau, die ich je gesehen hatte. Sie weinte hemmungslos, doch ihre Tränen taten dem Glanz ihrer Augen keinen Abbruch. Sie wischte sich mit einem Seidentuch über die rosigen Wangen und versuchte, einige Strähnen ihres schweren goldblonden Haares hinter ihre Ohren zu stecken. Nur ihre volle Brust hob und senkte
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