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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Schönheit hat ihren Preis. Aber sie bedeutet auch Macht! Menschikow holt dich in sein Zelt. Weißt du, wie viele Mädchen von einer solchen Gelegenheit träumen? Du mußt lernen, die Zufälle und die Entscheidungen des Lebens für dich zu nutzen. Deine Schönheit und deine Anziehung auf Männer solltest du wie einen Satz Karten sehen, mit denen du dein Leben ausreizen kannst!«
    Nach diesen Worten hielt er kurz inne und lachte dann: »Außerdem, wenn Menschikow auch nur das geringste Interesse an dir zeigt, wird Darja Arsenjewa ihm die Augen auskratzen und dir die Peitsche geben! Er wird dich schon in Ruhe lassen, das verspreche ich dir.«
    »Wer ist Darja Arsenjewa?« fragte ich.
    »Ein fester Bestandteil des Feldzuges! Eine adlige Marketenderin aus alter Familie und eine gute Freundin der Zarewna Natalja, Peters Schwester. Ich warne dich vor ihr, Martha. Sieh zu, daß sie deine Freundin wird, oder du brauchst sehr starke Beschützer. Sie läßt Menschikow nicht aus den Augen, und früher oder später wird er sie wohl heiraten. Obwohl es bestimmt rühmlichere Partien sowohl für ihn als auch für sie gäbe.«
    Ich antwortete nichts, sondern nickte nur stumm. Scheremetjew lächelte mich ein letztes Mal an, dann schien er sich ganz in seine Karten zu vertiefen. Ich fiel in einen unruhigen Schlaf, in dem ich vor Albträumen aufschrie und um mich schlug und trat, so daß der junge Adjutant mich mehrere Male niederhalten mußte.
    Als am Abend Menschikows Schreiber mit den versprochenen Karten kam, hatte ich frische, etwas zu knappe Kleider an und saß gebadet und sauber auf dem Feldbett. Mein Haar war reinlich gescheitelt und in einen losen Knoten geschlungen. Meine Haut brannte, so sehr hatte ich sie im Bad geschrubbt. Ich wollte die Erinnerung an Marienburg und an die drei Lumpen von meinem Körper waschen. Ich fühlte mich danach wie ein neuer Mensch und hatte das Mädchen, das mir das heiße Wasser in den Bottich schüttete, um immer mehr gebeten. Die Arme mußte fast ein Dutzend Mal zwischen dem Kessel auf dem Feuer und meinem Bottich hin- und hergehen!
    Ehe ich Scheremetjews Zelt verließ, drehte ich mich zu dem glorreichen Sieger von Marienburg um und sagte ruhig: »Feldmarschall Scheremetjew, ich werde nicht vergessen, was du für mich getan hast. Du wirst dafür belohnt werden!«
    So seltsam diese Worte aus dem Mund einer mißhandelten, armen und wunden jungen Frau klingen mochten, Scheremetjew neigte doch den Kopf und lächelte: »Es war mir eine Freude, Martha. Dankbarkeit ist heutzutage eine seltene Tugend. Erhalte sie dir, sie wird dich weit bringen. Ich bin sicher, wir werden uns wiedersehen.«
     
    Es war ein klarer Abend. Dicke Luft lag wie eine Glocke über dem Lager auf dem freien Feld: Der saure Gestank nach der Ruhr, dem Schweiß, der schmutzigen Wäsche, den faulen Wunden, fetter Kohlsuppe und den nun kalten Pulverschwaden schien sich einem an den Körper zu haften wie die Blutegel aus den Teichen nahe unserer isba . Es schien, als lagerten die russischen Soldaten bis hin zum Ende der Ebene, wo die Sonne nun unterging. Sie lungerten in ihren schmutzigen, zerrissenen Uniformen im weichen Gras und scharten sich um die Lagerfeuer, über denen schon schwere Töpfe hingen. Sie riefen sich in allen Sprachen des Russischen Reiches Worte zu oder spielten Würfel, denn der Zar hatte alle Glücksspiele außer diesem verboten, reinigten ihre Waffen, untersuchten kleinere Verwundungen, löffelten ihre fette Suppe mit einem Stück Fladen oder einem Löffel aus Holz und tranken literweise Bier und kwas , was ihnen in den Tagen nach einem Sieg am Abend zustand. Zu meinem Erschrecken entdeckte ich unter ihnen ein bekanntes Gesicht: Mutter Natalja, der ich damals ihr Geschäft mit dem Fuhrmann verdorben hatte! Sie war noch fetter geworden, hatte aber ihre Mädchen hier im Lager fest im Griff. Nach den schwedischen Grenadieren waren sie nun den russischen Soldaten gegen einen Gutteil ihres Soldes zu Willen. Ich sah die kleine, freche Tatarin mit einem Soldaten verhandeln. Mittlerweile hatte sie keinen Zahn mehr im Mund, und auf ihrem Hals beulten sich eitrige Pusteln. Ihr schmutziges Kleid schlak kerte ihr um die mageren Rippen und in ihrem Ausschnitt war nur Luft. Ich spürte trotz der bitteren Erinnerung an das Freudenhaus in Marienburg einen Augenblick lang Mitleid mit dem Mädchen. Wie leicht hätte ich auch so enden können! Ihr Los war nur eine Verlängerung des elenden Lebens bis zum Tod. Dennoch hielt ich den

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