Die Zarin (German Edition)
die Arme um meinen Körper. Die Art, wie Menschikow seine vor Unfug funkelnden blauen Augen über mein Gesicht und meine Brüste gleiten ließ, gefiel mir nicht. Scheremetjew antwortete nicht auf Menschikows Frechheit, sondern raschelte nur in den Karten.
»Laß’ die Karten sein, deine taugen sowieso nur zum Verheizen, Boris Petrowitsch! Ich werde dir einige aus meiner Bibliothek zukommen lassen. Es sind die besten der Welt, das weißt du ja!«
»Zu gütig, Alexander Danilowitsch«, erwiderte mein Retter spöttisch. »Was willst du denn nur mit den ganzen Karten, frage ich mich, wo du doch nicht lesen kannst?«
Menschikow jedoch wandte nun seine volle Aufmerksamkeit mir zu. Er zupfte an dem Mantel, den ich fest vor der Brust verschränkt hielt. »Wie heißt du, Mädchen? Wo hat man dich aufgelesen? Tu’ mal den Mantel weg, damit ich dich besser sehen kann. Scheinst mir ein Prachtstück von Weib zu sein!«
Sein Hochmut und sein anmaßendes Gehabe löste in mir nach den Geschehnissen in Marienburg ein ganz neues Gefühl aus. Ich mochte nur eine arme junge Frau sein, ohne Mittel und ohne Familie, aber kein Mann sollte je wieder so über mich entscheiden dürfen, beschloß ich für mich. So sah ich ihn nur direkt an und versetzte dann herausfordernd: »Und wer bist du, daß du hier einfach so hereinkommst und versuchst, meine Brüste anzustarren?«
Einen Augenblick war es totenstill im Zelt. Ich warf einen kurzen Blick auf meinen Wohltäter und sah, daß er über den Karten, die er scheinbar so angestrengt studierte, schmunzelte. Dem Adjutanten hinter ihm schien jedoch vor Schreck der Atem zu stocken. Sein Kopf wurde so rot wie die Äpfel, die wir spät im Sommer ernteten. Menschikow selbst blieb vor Überraschung der Mund offenstehen.
Dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte. Als er sich wieder etwas beruhigt hatte, wischte er sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
»Nicht schlecht! Dieser ungewaschene Bauernfratz ohne Namen fragt mich, wer ich bin!«
»Ich bin sehr wohl gewaschen, und mein Name ist Martha«, antwortete ich ruhig. Er sah mich an und lehnte sich nach vorne.
»Und ich, Mädchen Martha: Ich bin Alexander Danilowitsch Menschikow, genau wie Scheremetjew es gesagt hat. Der Mächtigste unter den Mächtigen, nach dem Zaren Peter, dem Herren aller Russen und bald auch aller Balten. Sein unbedingter Freund und stets treuer Helfer!«
»Der sich gerne auch unbedingt und treu die eigenen Taschen füllt!« bemerkte Scheremetjew von hinten.
Menschikow tat, als hörte er die Worte gar nicht, sondern fuhr mir nun durch die Haare, wickelte sich eine Strähne um den Finger und roch daran.
»Hmm, gut riechst du. Genauso frisch, wie ich es mag. Einen langen Hals hast du! Siehst auch aus, als könntest du was vertragen – genau das, was ich hier fürs Feld brauche!«
Scheremetjew sah erstaunt von den Karten auf. Ich konnte nicht recht gehört haben! Menschikow sah unseren Schrecken und lachte wieder: Er war offensichtlich mit der Wirkung seiner Worte zufrieden. Er stand auf und klapste mir auf die Hüfte.
»Scheremetjew, ich sende nachher meinen Adjutanten mit den Karten in dein Zelt. Er kann dann das Mädchen zu mir bringen. Allein kann sie ja wohl keinen sicheren Schritt durch deinen wilden Haufen tun! Sie kann bei Darja in der Ecke schlafen. Solange sich die zwei nicht schlagen, sollte das schon gehen. Ich kann Weiberringkämpfe nicht haben. Außer wenn sie unter freiem Himmel im Matsch stattfinden«, fügte er hinzu, grinste frech und verließ das Zelt. Die Plane schlug einige Male gegen den Pfosten, an dem sie hing, so kräftig ließ er sie fallen.
Ich schluckte hart und sah wieder zu Scheremetjew hin. Er erwiderte meinen Blick und zuckte schließlich nur die Schultern. Seine Stimme klang traurig, als er sagte: »Tut mir leid. Er ist, wie gesagt, der Mächtigste unter den Mächtigen. Nach unserem Zaren. Ich kann dir nicht helfen, wenn er dich will. Schlaf’ jetzt ein wenig, und dann besorgen wir dir ein paar Kleider, ehe du gehen mußt.«
»Ich will aber nicht! Ich habe es satt, nur als Spielball männlicher Launen hin- und hergestoßen zu werden! Ich bin ein eigener Mensch!« Ich zwang die Tränen in meiner Kehle zurück, als ich dies sagte. Meine Stimme sollte so stark klingen, wie meine Gefühle es waren.
Scheremetjew sah mich erstaunt an. Dann sagte er: »Du hast recht, es ist schon eine Strafe, als Mädchen geboren zu werden. Was habt ihr schon für ein Leben! Aber, Martha: Es ist wahr,
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