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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Marienburg her kannte oder so, wie Riga auf den Bildern in der Lehrstube von Ernst Glück dargestellt war. Ich sah Stadttore, jedoch keine einheitliche Mauer: Die Stadt drehte sich wie das Gehäuse einer Schnecke um sich selbst und um ein lebendig schlagendes Herz aus Gebäuden, deren Dächer in der Abendsonne leuchteten. Diese Menge von Häusern aller Größe und Bauarten war von einem Gürtel an kleineren Siedlungen und Feldern umgeben, die sich dicht um das Bett der breit und behäbig fließenden Moskwa und der Jausa , einem kleineren Nebenfluß, drängten. Ich konnte keine genaue Ordnung im Bau der Stadt erkennen und wandte mich erstaunt an Darja: »Es sieht anders aus alle anderen Städte, Darja! Ich meine«, fügte ich hastig hinzu, um sie in ihrer Freude nicht zu verletzen, »ganz anders als die deutschen und schwedischen Städte meiner Heimat!«
    Sie lachte und streckte wieder die Hände nach der Stadt aus.
    »Moskau ist der Osten, Martha! Dies hier hat nichts mit dem Zaren Peter und seinen Träumen von einer europäischen Großmacht gemein! Wir wurden groß durch Strenge, durch Entbehrungen und Härte! Härte gegen uns selber! Denk doch mal, wohin ist Nowgorod geraten mit seinen losen Sitten und seiner Freiheit? Die Stadt haben wir besiegt, und sie soll der Vergessenheit anheimfallen. Wir Moskowiter sind im Grunde Tataren! Wild und stolz! Du wirst sehen, wie viele von ihnen in unseren Straßen unterwegs sind!«
    Sie zog sich die Augenlider bis zu den Schläfen und machte eine furchterregende Grimasse. Ich lachte, sie aber nickte noch einmal und wandte sich dann wieder der Stadt zu: »Da drüben, diese Siedlungen sind die posady , die Vororte, in denen die meisten Geschäfte der Stadt zu finden sind. Um die Läden sind die Häuser der Inhaber, ihre Gärten und ihre Ställe! Nebenan wohnen dann oft noch die Bediensteten. Dort wohnen auch all die Handwerker, Künstler und Gärtner, die der große Zar ins Land geholt hat! Dort, um die Jausa, und ihre beiden Nebenarme, die Neglinnaja und die Kljazma, liegen Moskaus Mühlen – ohne sie hat die Stadt kein Brot! Um die Moskwa liegen die Felder, die dann im Frühjahr überschwemmt werden. Von ihnen kommt das beste Obst und Gemüse im ganzen Land.«
    »Wer wohnt in diesen kleinen Siedlungen außerhalb der Stadt?« unterbrach ich sie.
    Sie zuckte die Schultern und antwortete gedankenlos: »Leibeigene und Bauern, die sich dem Zaren, dem Adel und den reichen Bürgern verdingen. Die Ameisen des russischen Volkes, wirklich! An sie muß man nicht denken!« Ich konnte darauf nichts sagen. Vielleicht ist meine Familie darunter, schoß es mir durch den Kopf. Vielleicht ist es hier, wo man sie hingetrieben hat.
    Darja fuhr jedoch bereits mit ihren Erklärungen fort: »Unter ihnen leben aber auch die Biberfänger, die Fischer, die Falkenzüchter, die Hundehalter und die Stalljungen. Die Häuser dort ganz außen, das ist die Honigsiedlung! Dort sind die Imker mit ihren Bienen. Da halte du dich besser fern, sonst wird dir die Haut zerstochen. Aber der süßeste Honig kommt von dort!« Sie lachte und leckte sich die Lippen.
    Ich sah einen Augenblick über das bunte, lärmende Durcheinander auf der Ebene.
    Darja zeigte nun auf drei Türme, die aus der Mitte der Stadt in den Himmel ragten.
    »Da! Das ist der Kreml, der Palast aller Paläste! Und um ihn herum wieder die Häuser der Adligen, der Diener, der Handwerker, Schneider und Künstler – eben aller, die dem Zaren dienen! Eine Stadt in der Stadt.«
    Sie zog sich das Fell bis hoch an den Nacken. Ihr hübsches Gesicht ragte aus dem weichen Kragen wie eine Blüte aus ihren Blättern hervor. Sie entschied: »Sobald wir uns eingerichtet haben, nehme ich dich in den gostiny dwor mit, dann wirst du sehen!«
    »Was ist der gostiny dwor ?« fragte ich neugierig.
    Sie lachte und klatschte in die Hände: »Ein Wunderland für Frauen, die einen Sack Gold am Gürtel tragen! Und Alexander Danilowitsch hat dir doch auch Geld gegeben, oder?« Sie sah mich prüfend an. Ich hielt es für das beste, ehrlich zu sein, und nickte. Sie fuhr daraufhin nur fort: »Es gibt dort die schönsten towary ! Wirklich, die beste Ware, die man sich für seinen Putz nur wünschen kann! Es sind Hunderte von Reihen mit Ständen mit edlen Metallen, rohen und geschliffenen Edelsteinen, Seide, Pelzen, Filzen, Borten und … Aber du wirst selber sehen!« Sie lachte wieder und drehte sich von mir wieder um zur Stadt. Nach einem letzten, langen Blick auf ihre Heimat

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