Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
gab Granock zu - vermutlich war es sogar das, was Farawyn mit dem Bündnis bezweckte, denn dadurch wurden die königlichen Truppen im Osten entlastet.
»Und wer garantiert mir, dass Andaril dem Ansturm standhalten wird?«, fragte Yrena. »Noch dazu mit einer verringerten Besatzung?«
»Niemand«, gab Granock zu.
»Niemand«, echote sie. »Wenigstens seid Ihr ehrlich.«
»Ehrlichkeit gehört zu den Grundtugenden eines Zauberers, wie Ihr wisst.«
»Das meine ich nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich schätze Euch nicht nur für das Amt, das Ihr bekleidet, Meister Lhurian, und für das, was Ihr erreicht habt, sondern auch als den Mann, der Ihr von Geburt an seid. Ritterlichkeit kann nicht durch Ausbildung vermittelt werden. Man besitzt sie entweder von Geburt an oder wird sie nie erlangen. Ihr jedoch tragt sie in Euch, das habe ich schon bei unserer ersten Begegnung erkannt.«
Ein wenig verblüfft nahm Granock zur Kenntnis, dass ihr Tonfall eine andere Färbung angenommen hatte. Auch der Blick, mit dem sie ihn über den Rand ihres Bechers ansah, während sie einen weiteren Schluck Wein nahm, hatte sich verändert.
Granock war sich nicht sicher, wie er dies deuten sollte. Er war kein besonderer Kenner, was Frauen betraf, und weder die häufigen Besuche im Freudenhaus, die er sich in jungen Jahren gegönnt hatte, noch seine heimliche Liebe zu Alannah oder die selbstgewählte Einsamkeit der letzten Jahre hatten daran etwas ändern können...
»Ich danke Euch«, erwiderte er stammelnd. Er merkte, wie er errötete, und kam sich vor wie ein Narr.
Yrena lachte leise. Sie trat an den Tisch, stellte den Becher ab und griff nach einem Messer. Mit fachkundigem Blick suchte sie sich ein Stück Fleisch aus und schnitt es ab.
Mit einer Mischung aus Neugier und eigenartiger Faszination beobachtete Granock, wie sie davon abbiss und es langsam kaute. Yrena sprach etwas in ihm an, das er längst verloren geglaubt hatte, eine Freude an einfachen Dingen, die ihm in Shakara fast abhandengekommen war. Bei den Zauberern hatte alles stets bedeutungsvoll und von tiefem Sinn erfüllt zu sein. Essen diente nur der Nahrungsaufnahme, das sinnliche Erlebnis, das Menschen daraus machen konnten, war ihnen fremd.
»Und Ihr habt wirklich keinen Hunger?«, erkundigte sich die Fürstin zwischen dem Bissen Fleisch und einem weiteren Schluck Wein.
»Nein«, blieb Granock bei seiner Ablehnung, obwohl alles ihn dazu drängte zuzugreifen. Hätte er es getan, wäre er sich auf seltsame Weise wie ein Verräter vorgekommen.
»Ihr wisst nicht, was Ihr verpasst«, entgegnete sie mit einem einladenden Lächeln. »Ich bin der Ansicht, dass man etwas stets zuerst versuchen sollte, ehe man es ablehnt.«
»Etwas zu versuchen, ohne über die Folgen nachzudenken, birgt gewisse Risiken«, gab Granock zu bedenken.
»Das ist wahr«, gestand sie zu und sandte ihm einen Blick, den man als aufreizend verstehen konnte. »Deshalb solltet Ihr Euch alles gut ansehen, ehe Ihr zugreift.«
»Fürstin Yrena ...« Granock suchte nach passenden Worten. Die Art und Weise, wie sich diese Unterredung entwickelte, behagte ihm nicht. »Worüber genau sprechen wir hier?«
»Ich weiß es nicht. Sagt Ihr es mir, Meister Lhurian.«
Er seufzte. Obwohl er kein Diplomat war und das Herumreden um den heißen Brei ihm nicht lag, hatte er sein Bestes versucht. Nun jedoch wählte er klare Worte: »Yrena, im Lauf der Gespräche, die wir miteinander führten, habe ich den Eindruck gewonnen, dass Ihr anders seid als Euer Vater und Euer Bruder. Deshalb bitte ich Euch, auch jetzt nicht mit mir zu spielen.«
»Ihr glaubt, ich spiele?« Das Lächeln verschwand aus ihren Zügen. »Dann irrt Ihr Euch, Meister Lhurian, denn ich tue nur das, was wohl jede Herrscherin in meiner Lage tun würde.«
»Nämlich?«
»Wollt Ihr oder könnt Ihr mich nicht verstehen? Ich habe eine Wahl zu treffen, die ich nicht treffen kann. Fürst Ardghal oder Ihr - für mein Volk ist es stets die falsche Wahl.«
»Ihr erwägt Ardghals Vorschlag noch immer?«, fragte Granock verblüfft. »Ich dachte, Ihr wollt ihn König Elidor als Zeichen Eures guten Willens übergeben ...«
»Darf ich das denn?«, fragte sie, und er konnte die Verzweiflung hören, die in ihrer Stimme mitschwang.
»Ardghal arbeitet für Rurak«, wandte Granock ein, »und Rurak versteht sich wie kaum ein Zweiter darauf, die geheimen Wünsche anderer zu erkennen. Bei Eurem Vater war es Machtgier, bei Eurem Bruder Rachedurst und das Verlangen nach
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