Die zehn Fragen: Roman
Bildschirm schüttelte den Kopf. „Das war ja eine scharfe Rasur. In einem Friseurladenquartett hättet ihr keine Chance damit." Er grinste. „Gut, das war das Ende der Hinweise. Viel Glück!" Der Bildschirm wurde dunkel. „Das Ende der Hinweise?" zeterte die Witwe.
„Was denn für Hinweise?" fragte der Neffe. „Sollen wir etwa einen Sänger namens Yor suchen?"
David jedoch saß stumm da und blickte nachdenklich, drein. „Wartet!" sagte er. „Ich glaube, ich weiß, was der Hinweis bedeutet."
Alle drängten sich um ihn. „Gehen wir zurück zum Anfang. Was sagte er da? Hat ihn jemand gesehen, Yor heißt er." „Ja, und was bedeutet es?" wollte die Witwe wissen. „Wenn man die beiden Wörter >gesehen< und >Yor< zusammen spricht, und das schnell, was kommt dann heraus? Sehn-yor. Señor! Das bedeutet >Mann< auf spanisch."
Alle sahen ihn verwundert an. „So, und jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter", sagte David. „Er sagte, das könne man singen. Das könnte eine Oper bedeuten. Und er redete von einem Friseurladen, dazu kann man auch Barbier sagen. Und es gibt eine Oper Der Barbier von Sevilla . Sevilla liegt in Spanien, wo die Männer Señor heißen. Versteht ihr? Und da liegt der Schlüssel zum heutigen Schatz!"
„Das stimmt!" rief der Anwalt. „Danach müssen wir suchen. Jemand in Sevilla, der Barbier heißt oder Barbiere vielleicht! Und eben ein Mann ist, wegen dieses Wortes Señor." Jetzt, da sie wieder ihre Spur zu haben glaubten, erfaßte sie sogleich die gleiche Geldgier wie jedesmal.
„Aber du könntest dich irren, David", gab die Witwe zu bedenken.
„Genau", sagte auch der Neffe. „Ich glaube nicht, daß es das ist." „Und ich auch nicht", sagte der Anwalt.
David lächelte in sich hinein. Er wußte genau, was als nächstes passieren würde. Alle würden schnellstens nach Sevilla eilen, um dort einen Mann namens Barbier oder Barbiere zu suchen.
David hatte völlig recht. Die Witwe, der Neffe und der Anwalt flogen noch am selben Abend und in verschiedenen Flugzeugen nach Spanien und versuchten einander gegenseitig zuvorzukommen. Auch David nahm ein Flugzeug. Wenn er den Schatz fand, wollte er ihn der Stiftung Samuel Stone zur Hilfe für die Armen vermachen.
Sevilla ist eine schöne spanische Stadt mit alten Bauwerken, Denkmälern und Kirchen, die schon aus dem zehnten Jahrhundert stammen. Es ist eine der schönsten Städte der Welt. Aber daran waren sie alle nicht interessiert, sondern nur an ihrer Schatzsuche.
Die Witwe kam als erste an. Sie schaute ins Telefonbuch. Dort gab es vier Personen mit dem Namen Barbiere.
Sie beschloß, ihr Glück einfach der Reihe nach zu versuchen. Sie nahm ein Taxi zu der ersten Adresse, die sie im Telefonbuch gefunden hatte.
Sie erwies sich als Restaurant. Im Fenster hing ein Schild:
„Bedienung gesucht." Sie ging hinein. Ein Mann mittleren
Alters mit einer Schürze begrüßte sie.
„Señor Barbiere?" fragte die Witwe.
„Ja?"
Die Witwe wußte, daß sie vorsichtig sein mußte. Sie konnte also nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und Fragen wegen eines Schatzes stellen.
„Sie sind wohl wegen der Stellung als Bedienung gekommen?" Die Witwe wollte schon sagen: „Selbstverständlich nicht!" Doch dann besann sie sich eines Besseren. Hier zu arbeiten wäre vielleicht die beste Gelegenheit, diesen Señor Barbiere näher kennenzulernen und ihm dann erst Fragen nach dem Schatz Samuel Stones zu stellen.
Also sagte sie heuchlerisch: „Ja, deshalb bin ich hier." „Gut. Sie können gleich anfangen."
Die ersten Gäste trafen bereits in dem Restaurant ein, und die Tische füllten sich.
„Draußen in der Küche finden Sie Berufskleidung", sagte Señor Barbiere.
Die Witwe ging an die Arbeit als Bedienung. In ihrem ganzen Leben hatte sie so etwas noch nicht gemacht, und es gefiel ihr gar nicht. Die Gäste waren ungehobelt, und sie selbst brachte alle Bestellungen durcheinander und wurde dafür beschimpft und angeschrien. Noch ehe der Nachmittag vorbei war, hatte sie schreckliches Kopfweh.
Das halte ich nicht aus , dachte sie. Noch ein Tag als Kellnerin, und es bringt mich um .
Sie ging zu Señor Barbiere. „Hören Sie zu", sagte sie; „ich will ehrlich mit Ihnen sein. Ich bin in Wirklichkeit gar keine Kellnerin."
„Das habe ich von meinen Gästen schon zur Genüge gehört", sagte der Señor. „Und wer sind Sie dann?"
„Ich bin die Witwe von Samuel Stone. Er hat Ihnen einen
Schlüssel zu einem Teil seines Vermögens anvertraut, und
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