Die zehnte Kammer
Frage des Überlebens. Töten oder getötet werden.«
»O Gott«, flüsterte Sara angeekelt.
»Das waren unschuldige Menschen, die Sie getötet haben«, fauchte Luc.
»Das tut mir leid, aber von unserem Standpunkt aus waren sie eine Bedrohung. Dieser Israeli zum Beispiel hat uns überrascht, als wir gerade überprüfen wollten, was für ein Schloss sie vor unsere Höhle gebaut haben, und der andere, dieser Hugo, hatte die Frechheit, bei meiner Tochter einzubrechen und uns hier unten bei einem unserer Teeabende zu überraschen! Was hatte er wohl erwartet? Und die anderen vergangenen Sonntage in Ihrem Camp? Sie waren uns im Weg, weil wir Ihre Computer mitnehmen und Ihre Akten vernichten mussten. Außerdem wollten wir die Höhle in die Luft jagen, um zu verhindern, dass Sie nächstes Jahr wieder nach Ruac kommen. Und das hätten wir auch geschafft, wenn nicht Ihr schwarzer Schweinehund meinen Sprengstoffmann umgebracht hätte.«
»Pierre ist tot?«, fragte Sara erschrocken.
»Es tut mir leid«, sagte Luc. »Jeremy auch. Und Marie und Elizabeth Coutard und –«
Sie brach in Tränen aus und flüsterte leise: »Wie grauenhaft.«
»Und womit wollen Sie rechtfertigen, dass die Frauen vergewaltigt wurden?«, schleuderte Luc Bonnet entgegen, aber als er den Ausdruck auf Saras Gesicht sah, wünschte er, er hätte das nicht erwähnt. So schonend wie möglich erzählte er ihr den Rest der Geschichte: »Die Experten von der Gendarmerie sagen, dass die Vergewaltiger immotile Spermien hatten.«
Bonnet tat Lucs Vorwurf mit einem Achselzucken ab. »Jungs sind nun mal Jungs.«
»Sie sind ein widerwärtiger Scheißkerl, Bonnet«, sagte Luc.
Das war nur Öl auf Bonnets Feuer. Er wedelte mit den Armen in der Luft herum. »Pelay ist der Meinung, es wäre für alle besser gewesen, wenn meine Männer Sie in Cambridge plattgewalzt hätten, aber ich versichere Ihnen, das, was heute hier mit Ihnen geschehen wird, ist sehr viel besser.«
»Und was ist mit dem Untersuchungslabor?«, fragte Luc. »Haben Sie das auch in die Luft gejagt?«
»Damit hatten wir nichts zu tun«, erwiderte Bonnet achselzuckend. »Es war ein glücklicher Zufall. Von Gebäudesprengung verstehen wir nichts, wir waren nur hinter Ihnen her. Pelay war der Meinung, wir hätten in Cambridge die einmalige Chance, Sie ein für alle Mal loszuwerden, bevor Sie hier noch mehr Schaden anrichten. Ein Autounfall im Ausland wäre eine saubere Lösung und würde niemals mit uns in Verbindung gebracht werden. Also habe ich gesagt, warum nicht? Als es dann nicht geklappt hat und Sie vor Ihrer Kollegin nach Frankreich zurückgeflogen sind, haben wir uns entschlossen, uns Mademoiselle Mallory zu schnappen und als Köder für Sie zu verwenden. Sehen Sie jetzt, wie viel Mühe wir uns wegen Ihnen gegeben haben?«
Luc war sich nicht sicher, ob er ihm glauben sollte, dass er und seine Leute nichts mit der Explosion bei PlantaGenetics zu tun hatten. Schließlich war da noch etwas.
»Und was ist mit Fred Prentice?«, fragte er. »Den haben Sie wohl auch nicht getötet, oder?«
»Fred ist tot?«, schrie Sara.
»Es tut mir leid«, sagte Luc. »Er ist im Krankenhaus gestorben.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, bellte Bonnet. »Aber eines will ich Ihnen sagen: Keiner von Ihren Leuten wäre ums Leben gekommen, wenn wir Sie und Ihren Kumpel Hugo erschossen hätten, als Sie das erste Mal in mein Café gekommen sind. So, wie wir es mit den zwei Idioten getan haben, die 1899 die Höhle schon mal entdeckt hatten.«
Sara verzog den Mund zu einem verächtlichen Grinsen. »Reden wir doch mal von Ihrem anderen Geheimnis«, sagte sie.
»Und was sollte das sein?«
»Dass Sie alle unfruchtbar sind. Das stimmt doch, oder? Ihr Männer hier seid allesamt unfruchtbare Hurensöhne.« Sie lachte höhnisch über den gekränkten Ausdruck auf Bonnets Gesicht. »Luc, das muss eine Nebenwirkung des Tranks seins. Sie sind alle steril!«
Auch Luc schaffte es zu lächeln. »Ich glaube nicht, dass ich schon mal Kinder in Ruac gesehen habe. Wie viele Kinder gibt es hier?«
Bonnet machte ein gequältes Gesicht und stand auf. »Nicht viele, auf gar keinen Fall genug. Das ist ein Problem, es ist immer ein Problem gewesen. Nach ein, zwei Jahren mit dem Tee hören die kleinen Fischchen unserer Männer auf zu schwimmen. Aber irgendwie schaffen wir es schon, verlassen Sie sich drauf.«
Luc überlegte einen Augenblick. »Ihre Gesellschaft hier ist matrilinear, nicht wahr?«, fragte er.
»Was sollen wir
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