Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
Vom Netzwerk:
Schulsporthalle oder eines städtischen Kinos. Er war viel zu groß, als dass es sich um den Keller eines der Häuser im Ort handeln konnte. Wenn sie sich immer noch innerhalb des Dorfes befanden, wie Luc vermutete, dann musste sich der Raum unterhalb der Straße befinden und von mehreren Häusern zugänglich sein. Von dem Raum gingen mehrere Gänge in verschiedene Richtungen ab, die möglicherweise zu den einzelnen Häusern führten.
    Die Wände bestanden aus dem allgegenwärtigen Kalkstein, aber der Boden aus Holzplanken, blank poliert von unzähligen Füßen und mit einem Patchwork aus Teppichen bedeckt. Die meisten Teppiche hatten phantasievolle Orientmuster in verschiedenen Grün-, Blau-und Rottönen. Beleuchtet wurde der Raum von an der Decke befestigten Neonröhren. Kupferne Wasserleitungen liefen an den Wänden entlang. An eine von ihnen hatte man Luc und Sara, die auf Stühlen an der Längsseite des Raumes saßen, mit Handschellen angekettet.
    Auf einem Tisch an der gegenüberliegenden Wand drehte sich auf einem altertümlichen Grammophon eine Schallplatte, die den Raum mit altmodischer Musette-Musik erfüllte.
    In der Mitte des Raums befand sich ein robuster Klapptisch, wo auf einer Kochplatte ein riesiger Aluminiumkessel von der Art stand, in der man beim Militär Eintopf für zweihundert Mann kochte. Bonnet und Dr. Pelay rührten mit einem überdimensionalen Kochlöffel in dem Kessel herum, aus dem ein fruchtig riechender Dampf aufstieg.
    Luc und Sara kannten diesen Geruch von ihrem Experiment, das sie in der Küche des Lagers vorgenommen hatten.
    Während Bonnet den Trank zubereitete, erklärte er mit monotoner Stimme, was er jeweils gerade tat, und wirkte dabei wie ein bizarrer Fernsehkoch, der einem gefesselten Publikum sein Handwerk erläutert.
    »Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass man diese Pflanzen nicht das ganze Jahr über ernten kann«, sagte Bonnet. »Wir holen sie uns, wenn es sie in Mengen gibt, und lagern sie für die Wintermonate ein. Hier unten ist es trocken und kühl, ideale Bedingungen. Die Beeren und die Wicken sind unproblematisch, aber mit der Wildgerste ist das so eine Sache. Wenn ihre Körner nicht diese schwarzen oder lila Beulen haben, taugen sie nichts. Wie nennt man die Beulen gleich nochmal? Ich vergesse es immer.«
    »Sclerotica«, antwortete Sara automatisch, mit vor Angst trockener Stimme.
    »Lauter! Ich kann Sie nicht hören«, sagte Bonnet.
    »Mutterkorn«, sagte Pelay zu ihm.
    »Ja! Das ist es, Mutterkorn«, wiederholte Bonnet. »Ohne das ist es unbrauchbar. Wir müssen also die Wildgerstenhalme mit den lila Klümpchen an den Ähren finden. Dann ist alles paletti. Man muss das Zeug gut erhitzen, aber nicht bis zum Siedepunkt. Am besten lässt man es köcheln, wie ein gutes Cassoulet. Wenn man das so oft gemacht hat wie Pelay und ich, kriegt man ein Gefühl dafür.«
    »Wie alt sind Sie, Bonnet?«, fragte Luc dazwischen.
    Der Bürgermeister hörte auf zu rühren und rieb sein stoppeliges Kinn. »Da muss ich immer nachdenken«, antwortete er, was Pelay ein amüsiertes Kichern entlockte. »Ich bin hier nicht der Älteste, wissen Sie. Das ist Duval, der Schweinebauer. Ich bin zweihundertzweiundvierzig, aber meine Frau sagt, ich sehe nicht einen Tag älter aus als einhundertachtzig.« Pelay fand das urkomisch und gluckste vor Vergnügen. »Mein Vater, Gustave Bonnet, hat mir gezeigt, wie man den Tee zubereitet. Er hatte es von meinem Großvater Bernhard gelernt und der wiederum von meinem Urgroßvater, Michel Bonnet. Dieser soll, wie man sagt, in seinen frühen Jahren ein Mönch in der Abtei von Ruac gewesen sein, bevor das Kloster 1307 aufgelöst wurde, weil es angeblich Verbindungen zu den Tempelrittern unterhielt. Nicht schlecht, oder? Nur vier Generationen Bonnets in siebenhundert Jahren!«
    Auf dem Tisch lag eine Plastiktüte, aus der Bonnet ein in rotes Leder gebundenes Buch nahm. Es war das Ruac-Manuskript.
    »Na, haben Sie es lesen können, Bonnet?«, fragte Luc.
    »Nein, leider nicht, bis auf den kurzen lateinischen Abschnitt, den dieser Mönch 1307 geschrieben hat, was recht gut zu dem gerade erwähnten Datum unserer Familienchronik passt. Vielleicht wollen Sie uns ja erzählen, was drinsteht, aber wenn nicht, ist es auch nicht weiter schlimm. Wir können uns den Inhalt auch so zusammenreimen. Die Bilder sagen mehr als tausend Worte. Dieser Barthomieu war zweihundertzwanzig – ich nehme an, dass er meinen Urgroßvater noch gut gekannt hat.«
    »Wie oft trinken

Weitere Kostenlose Bücher