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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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die traumhafte Aussicht auf das langsam in der Abenddämmerung versinkende Tal der Dordogne. Odile bat jemanden, doch mit ihrem Handy ein Foto von ihnen allen zu machen. Der Wind spielte mit ihrem kurzen Sommerkleid, das viel zu dünn für den kühlen Herbstabend war. Mit ihren dunklen Haaren und vollen Lippen sah Odile so sinnlich aus wie eine moderne Jane Russell. Hugo, der sich an ihr nicht sattsehen konnte, war froh über den Wind, der ihm Einblicke bis hinauf zu ihrem Slip ermöglichte. Aber nicht alles, was er sah, gefiel ihm: an ihren langen, schlanken Beinen hatte Odile mehrere hässliche Striemen und blaue Flecken, die auf schmerzhafte, nicht verheilte Blutergüsse schließen ließen.
    Als Hugo Luc später beiseitenahm und davon erzählte, meinte der nur, dass sie das nichts anginge und Hugo sich aus Odiles Angelegenheiten heraushalten solle.
    Das Essen war hervorragend. Hugo ließ sich nicht lumpen und spendierte einige Flaschen teuren Wein dazu. Alle bis auf Luc, der sich freiwillig als Fahrer zur Verfügung gestellt hatte, tranken ziemlich viel. Immerhin war er noch bis zum Ende der Ausgrabung in einer Woche Saras Chef und musste seinen Mitarbeitern gegenüber eine gewisse Würde bewahren.
    Hugo hatte keine solchen Verpflichtungen. Er saß neben Odile und genoss mit ihr den Blick hinauf zum Nachthimmel, an dem die ersten Sterne leuchteten. Die beiden warfen sich verliebte Blicke zu, machten zweideutige Witze und legten sich beim Lachen gegenseitig die Hand auf den Arm. Sara scherzte mit, nur Lucs Stimmung verschlechterte sich immer mehr.
    Bei Hugos nächstem schlechten Witz, den Luc schon dreimal gehört hatte, klinkte er sich aus dem Gespräch aus und hing seinen eigenen Gedanken nach. Wenn er zurück in die Zeit reisen könnte, wohin würde er gehen? Zu der Nacht, die er mit Sara vor zwei Jahren in Les Eyzies verbracht hatte, oder in die Höhle von Ruac vor dreißigtausend Jahren? Der Ober brachte die Vorspeisen und ersparte es Luc damit, lange darüber nachzugrübeln. Odile hing an Hugos Lippen, während er seine üblichen Geschichten und Anekdoten zum Besten gab. Sie lachte über jeden seiner Witze und feuerte ihn so zu immer neuen Höhenflügen an. Hugo hatte einen Mordsspaß und machte ständig Fotos mit seinem Handy, das er auch manchmal an Sara weiterreichte, damit sie ihn und Odile knipste.
    Erst als Hugo eine Pause einlegte, um sich seinem Rindfleisch zu widmen, konnte Sara eine Frage an Odile stellen. »Was mich interessieren würde: Wie lebt es sich als Frau in einem kleinen Ort wie Ruac?«
    Odile machte ein trauriges Gesicht. »na ja, ich kenne es eben nicht anders. In Paris war ich zwar ein paar Mal, aber noch nie im Ausland. Ich habe nicht mal einen Reisepass. Ich lebe noch immer in derselben Straße, in der ich geboren bin, nur drei Häuser weiter vom Café meines Vaters. Ich bin in Ruac verwurzelt wie eine von deinen Pflanzen. Wenn man mich aus diesem Boden herausreißt, gehe ich ein.«
    Hugo schluckte rasch, um wieder etwas sagen zu können. »Vielleicht brauchst du ja nur etwas Dünger.«
    Odile lachte und streichelte seinen Unterarm. »Dünger gibt es genug in Ruac. Was ich brauche, sind Wasser und Sonnenlicht.«
    »Aber es muss doch schwer sein, in so einem Dorf neue Leute kennenzulernen.«
    Odile zeigte ihnen ihre linke Hand. »Seht ihr? Kein Ring. Darum arbeite ich auch für euch. Nein, nicht, um jemanden zum Heiraten zu finden, sondern, um neue Leute kennenzulernen.«
    »Und wie gefällt es Ihnen bis jetzt?«, fragte Luc.
    »Sie sind alle so intelligent! Ich empfinde das als wirklich sehr anregend.«
    »Oh ja, anregend ist das richtige Wort«, lachte Hugo und schenkte ihr nach.
    Während der Rückfahrt war Sara ziemlich still, dafür quatschte das beschwipste Paar auf dem Rücksitz umso mehr. Im Rückspiegel sah Luc, wie Hugo und Odile sich irgendwann küssten und streichelten. Kurz vor der Abtei flehte Hugo Odile an, doch noch mit zu ihm zu kommen.
    »Das geht nicht«, flüsterte sie.
    »Was ist mit morgen?«
    »Nein.«
    »Warum? Lebst du mit jemandem zusammen?«
    »Nein.«
    »Ach, komm schon.«
    »Ich bin altmodisch. Lass mir etwas mehr Zeit.«
     
    Hugo saß angezogen auf seiner Koje und sah Luc beim Ausziehen und Zähneputzen zu.
    »Willst du noch nicht ins Bett?«, fragte Luc.
    »Ich will sie«, stöhnte Hugo.
    »Herrgott, Hugo!«
    »Hast du ihre Beine gesehen?«
    »Wie früher im Studium. Da warst du ständig so drauf.«
    »Du aber auch.«
    »Ich bin darüber

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