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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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einzige nackte Glühbirne beleuchtete den Weg die Stufen hinab. Hugo stieg die Treppe hinunter, aber als er etwa auf der Hälfte angekommen war, ging das Licht aus, und er befand sich in völliger Dunkelheit.
    »Odile?«

VIERZEHN
    Als Luc aufstand und zum Frühstück ging, musste er grinsen. Hugos Koje war unberührt. Der Mistkerl hatte offenbar Erfolg gehabt und würde nachher bestimmt die ganze Zeit damit angeben.
    Nachdem Luc die erste Schicht in die Höhle geschickt hatte, ging er zusammen mit Sara auf Exkursion, zu der sie mehrere Beutel zum Sammeln von Proben und ihre Notizbücher mitnahmen. Während die Morgennebel noch die Mauern der Abtei umhüllten, wanderten sie schon eine taufeuchte Weide hinab in Richtung Fluss.
    Jeremy und Pierre standen neben dem Bürocontainer und sahen ihnen hinterher.
    »Wo wollen die denn hin?«, fragte Jeremy.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Pierre mit einem Zwinkern. »Aber der Chef macht einen glücklichen Eindruck.«
    Schweigend gingen Luc und Sara durch die grüne Landschaft. In der vergangenen Nacht hatte es einen heftigen Regenschauer gegeben, und es war noch immer alles nass. Als die Sonne es endlich schaffte, den Nebel zu durchdringen, ließen ihre Strahlen die Wassertropfen an den Halmen glitzern.
    Den ersten Fund machten Luc und Sara nur einen Kilometer vom Lager entfernt am Rand der Weide, bevor sie in den Wald überging. Sara hatte die goldgelben Halme entdeckt, die aus dem grünen Gras aufragten, und rannte darauf zu.
    »Das ist Wildgerste«, sagte sie. »Hordeum spontaneum, und zwar in rauen Mengen.«
    Für Luc sah das Getreide wie ganz normale Gerste aus, aber Sara brach eine der spitz zulaufenden Ähren ab und zeigte ihm, dass sie im Gegensatz zum sechsreihigen Nutzgetreide nur zwei Reihen von Körnern hatte.
    Sara hatte eine Gartenschere und Luc ein Taschenmesser dabei. Damit schnitten sie so viele Ähren ab, bis eine ihrer Taschen voll war. »Dies ist vermutlich die Urform der später gezüchteten Braugerste«, erklärte Sara während der Arbeit. »Der Übergang zum Zuchtgetreide hat sich erst in der Jungsteinzeit ereignet, aber deshalb können im Mesolithikum und sogar im Jungpaläolithikum die Menschen trotzdem Wildgerste gesammelt haben, um Brei zu kochen, und vielleicht sogar zum Brauen.«
    »Oder für andere Zwecke«, fügte Luc hinzu.
    »Oder für andere Zwecke«, wiederholte Sara und streckte sich. »So, ich denke, das reicht. Eine unserer drei Zutaten haben wir schon.«
    Luc, der die Tasche mit der Gerste trug, folgte ihr in den Wald. Hier, wo keine Sonne hinkam, war es noch empfindlich kühl, und je weiter sie in den Wald hineingingen, desto kälter wurde es.
    Sara versuchte gar nicht, Unterholz und Brombeersträuchern auszuweichen. Im Gegenteil, sie schien sie geradezu zu suchen. Luc folgte ihr blind und ließ dabei seinen Gedanken freien Lauf. Sara wusste schon, was sie tat. Er konnte sich unterdessen am Anblick ihrer in engen Hosen steckenden Hüften weiden. Nach einer Weile musste er gegen den immer stärker werdenden Drang ankämpfen, Sara zu packen, umzudrehen und an sich zu pressen. Er würde sie küssen, und diesmal würde sie keinen Widerstand leisten. Dann würde er sie um Verzeihung bitten, ihr sagen, dass sie immer die einzig richtige Frau für ihn gewesen sei und er das früher nur nicht begriffen habe. Und schließlich würde er sie auf den kühlen, feuchten Waldboden ziehen und dort lieben.
    »Wir suchen eine Kletterpflanze, die sich um kleine bis mittelhohe Bäume windet«, riss Sara ihn jäh aus seinen Träumen. »Die Blätter sehen aus wie langgezogene Pfeilspitzen. Normalerweise hat sie rosa und weiße Blüten, aber so spät im Jahr blüht sie nur noch vereinzelt.«
    Luc hörte ein Platschen und sah, dass Sara in einen kleinen Bach getreten war. Ob er vielleicht von einem der beiden Wasserfälle gespeist wurde, die Frater Barthomieu in seiner Karte verzeichnet hatte? Entlang des Bachs standen hauptsächlich Steineichen und Birken, darunter wuchs dichtes Unterholz aus stacheligen Akazien. Luc fing sich einige Dornen ein, und als er sie gerade aus dem Stoff seiner Jeans entfernen wollte, hörte er, wie Sara jubelte: »Convolvulus arvensis! Da drüben!«
    Die jetzt blütenlose Winde hatte sich, genau, wie Sara es beschrieben hatte, am Stamm eines jungen Baums emporgeschlängelt. Luc schaute sich um und entdeckte plötzlich überall diese Schlingpflanzen. Spiralförmig drehten sich ihre hellgrünen Ranken vom schattigen Waldboden dem Licht

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