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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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ganz gleich, auf welche Weise.« Dann sprach sie in ihr Reversmikrofon. »Bringen Sie Lotta Hermes zu einem der Schwebewagen auf dem Dach. Ich komme gleich nach oben.«
    »Du hast wirklich die Macht dazu?« fragte er verblüfft.
    »Mein Vater ist der derzeitige Vorsitzende des Löschungsrats. Und meine Mutter kennst du. Gehen wir aufs Dach?« Sie wirkte jetzt gelassener, schien einen Großteil ihrer alten Selbstsicherheit zurückgewonnen zu haben. »Ich möchte nicht Opfer eines Psychotikers werden«, sagte sie geduldig. »Ich kenne dich, vergiß das nicht. Ich hatte die ganze Zeit Angst davor, daß du so etwas tun würdest, genau das, was du getan hast. Ich hätte mich von der Bibliothek ferngehalten, aber die derzeitige komplizierte Lage …«
    »Gehen wir aufs Dach«, unterbrach er. »Komm.« Er führte sie, das Gewehr im Anschlag, zum nahegelegenen Aufzug.
    »Beruhige dich«, sagte Ann mit einem tadelnden Stirnrunzeln. »Es wird nichts passieren; es bleibt bei unserer Vereinbarung: Lotta wird oben auf dich warten. Wenn du durchdrehst und mit dem Gewehr um dich schießt, wird man sie vielleicht töten, und ich glaube nicht, daß du das willst.«
    »Nein«, stimmte er zu. Sie hatte recht; er mußte sich jetzt zusammenreißen. Der Aufzug kam, und Ann Fisher winkte die bewaffneten Wachen heraus. »Verschwindet«, befahl sie ihnen barsch. »Waffen«, wandte sie sich verächtlich an Sebastian, während sie nach oben fuhren. »Und die Leute, die sie benutzen. Ausgleich für ein schwaches Ich. Schau dich an, du mit diesem Ding; plötzlich hast du vor nichts mehr Angst, weil du jeden dazu bringen kannst, das zu tun, was du willst. Vox dei, wie die Udi-Kommandos ihre Waffen nennen. Die Stimme Gottes.« Sie überlegte. »Ich schätze, es war ein Fehler, deine Frau gefangenzunehmen und sie ein zweites Mal einzusperren; wir haben unser Glück überstrapaziert.«
    »Der Mord an Joe Tinbane«, erklärte Sebastian, »war ein schrecklicher Akt unverantwortlicher Grausamkeit. Was hat der euch getan?«
    »Er hat das gleiche getan wie du«, sagte Ann Fisher. »Er ist hier mit einer Waffe eingedrungen und hat auf wehrlose alte Löschungsräte geschossen – auf unbewaffnete Löschungsräte.«
    »Ihr habt euch dafür gerächt«, sagte Sebastian bitter. »Ich nehme an, für das, was ich heute getan habe, werdet ihr mich jagen. Bis ihr mich ebenfalls erwischt.«
    »Wir werden sehen«, sagte Ann Fisher gelassen. »Der Rat wird zusammentreten und darüber entscheiden müssen. Er kann die Entscheidung natürlich auch mir überlassen.« Sie beobachtete ihn.
    »Die Bibliothek«, erklärte Sebastian, »respektiert Gewalt.«
    »O ja; wir respektieren sie. Um genau zu sein, wir haben großen Respekt vor ihr; wir wissen, was man damit erreichen kann. Wir wenden selbst Gewalt an, nicht gern, sondern weil wir um ihre Wirksamkeit wissen. Schau dir an, was du heute vollbracht hast.« Sie hatten das Dach erreicht; der Aufzug hielt an und die Türen glitten lautlos zur Seite. »Woher hast du dieses Gewehr?« fragte sie neugierig. »Es sieht wie eins von unseren aus.«
    »Ist es auch«, bestätigte er. »Ich bin unbewaffnet hergekommen.«
    »Nun«, sagte Ann resignierend, »Waffen kennen keine Loyalität; sie sind nicht wie Hunde.« Beide betraten das Landedach der Bibliothek. »Dort ist sie«, sagte Ann, spähte angestrengt zu ihr hinüber.’ »Sie lassen sie gerade frei. Komm.« Mit großen Schritten ging sie ihm voraus; er mußte sich beeilen, um zu ihr aufzuschließen. Die Wächter, die Lotta aufs Landedach gebracht hatten, stahlen sich davon und verschwanden. Er schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit: für ihn zählten nur Ann Fisher und seine Frau.
    Sobald er und Ann den geparkten Schwebewagen erreicht hatten, sagte Lotta: »Hast du den Anarchen befreit, Sebastian? Ich habe gehört, wie sie über ihn gesprochen haben; er ist auch irgendwo dort unten.«
    »Das gehört nicht zur Abmachung«, sagte Ann Fisher barsch.
    Stoisch drängte er sie auf den Beifahrersitz, schob sich hinter das Steuer und gab Lotta das Gewehr. »Ziel damit auf Miss Fisher«, befahl er ihr.
    Lotta zögerte. »Ich …«
    »Dein Leben«, erklärte er, »hängt davon ab, und meins ebenfalls. Hast du vergessen, was sie mit Joe Tinbane gemacht haben? Diese Frau war dafür verantwortlich; sie hat den Befehl gegeben. Wirst du jetzt mit dem Gewehr auf sie zielen?«
    »Ja«, flüsterte Lotta; er sah, wie sich der Gewehrlauf hob; die Erinnerung an Joe Tinbane hatte sie dazu gebracht.

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