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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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miteinander intim gewesen. Daß ihr miteinander geschlafen hättet. Sie behauptete eine Menge derartiger Dinge.« Sie fügte hinzu: »Aber natürlich habe ich ihr kein Wort geglaubt.«
    »Sehr vernünftig von dir«, sagte er, und er spürte die Bürde der Lügen – seiner Lügen – schwer auf sich lasten. Die Lügen, die er seiner Frau erzählte, und jene, die er in Kürze Ray Roberts erzählen würde; auch für ihn mußte er sich eine Geschichte ausdenken. Alle mußte er beschwichtigen … das gehört zu dem Leben, erkannte Sebastian, das ich zu führen begonnen habe. Ich bin so schlimm wir R. C. Buckley, für den es völlig natürlich ist. Aber für mich, dachte er, ist es nicht natürlich. Und trotzdem – ich kann nicht anders.
    »Es hätte mich auch nicht gestört«, erklärte Lotta, »wenn es gestimmt hätte, was sie über euch beide erzählt hat. Schließlich war ich auch nicht besser … im Hotel, meine ich. Ich würde dir keine Vorwürfe machen; ich könnte es nicht.«
    »Nun, es stimmt nicht«, sagte er lakonisch.
    »Sie ist sehr hübsch mit ihrem lackschwarzen Haar und den blauen Augen. Viel hübscher als ich.«
    »Ich verabscheue sie«, sagte Sebastian.
    »Wegen Joe?«
    »Deswegen und aus anderen Gründen.« Er ging nicht näher darauf ein.
    »Wohin fliegen wir?« fragte Lotta.
    »Zurück in unsere Wohnung.«
    »Wirst du die Uditen anrufen? Und ihnen berichten …«
    »Sie werden mich anrufen«, sagte Sebastian in stoischer Resignation.

    18. K APITEL

    Ich werde dann auch die Macht meiner Natur überwinden
und zu Ihm aufsteigen, der mich geschaffen hat.
Und ich werde die Felder und großen Paläste
meiner Erinnerung betreten.
– Augustinus

    Von ihrer Wohnung aus rief er das Vitarium an, um sich zu vergewissern, daß die Arbeit weiterging. Cheryl Vale meldete sich. »Flasche des Hermes«, sagte sie gutgelaunt.
    »Ich komme heute nicht«, sagte Sebastian. »Sind sonst alle anderen da?«
    »Alle, außer Ihnen«, antwortete Cheryl. »Oh, Mr. Hermes – Bob Lindy möchte Sie sprechen; er möchte Ihnen in allen Einzelheiten erzählen, wie es der Bibliothek gelungen ist, den Anarchen zu entführen. Haben Sie Zeit …«
    »Ich werde später mit ihm sprechen«, unterbrach Sebastian. »Das kann warten. Hallo.« Er legte auf und fühlte sich elend.
    »Ich habe nachgedacht«, sagte Lotta und setzte sich ihm gegenüber auf die Couch. »Wenn die Bibliothek an Joe Tinbane Rache genommen hat, wird sie es auch bei dir tun wollen.«
    »Ich habe daran gedacht«, nickte Sebastian.
    »Und dann die Jünger der Macht«, fuhr Lotta fort. »Ich habe Angst, daß …«
    »Ja«, sagte er brüsk. Alle, dachte er. Die römische Interessengruppe, die Bibliothek, die Uditen – er hatte es geschafft, alle – wirklich alle – gegen sich aufzubringend. Sogar die Polizei von Los Angeles, dachte er; vielleicht glaubt sie, daß ich Joe Tinbane umgebracht habe, weil er mit meiner Frau in einem Hotel abgestiegen ist; ich hatte ein überzeugendes Motiv.
    »An wen kannst du dich wenden?« fragte Lotta.
    »An niemanden«, antwortete er. Es war ein schreckliches, furchterregendes Gefühl. »An niemanden außer dir«, korrigierte er sich; immerhin war Lotta wieder bei ihm. Und das war einiges wert.
    Aber es genügte nicht.
    »Vielleicht«, fuhr Lotta fort, »sollten wir uns beide verstekken. Irgendwo hingehen. Was sie Joe angetan haben – ich habe alles noch so deutlich vor Augen. Ich kann nicht vergessen, was ich gesehen habe. Ich erinnere mich an das Trippeln ihrer Schritte auf dem Dach, und dann blickte eins dieser Kinder durch das Fenster. Joe war bewaffnet und wußte, daß sie kamen – aber es hat ihm nichts genutzt. Ich denke, wir sollten Los Angeles und vielleicht auch die Westlichen Vereinigten Staaten verlassen. Vielleicht sogar die Erde.«
    »Zum Mars auswandern?« fragte er grüblerisch.
    »Dort haben die Uditen keine Macht«, sagte Lotta. »Die UNO ist dort die einzige Autorität, und es heißt, daß die Koloniekuppeln sehr gut geführt werden. Und Freiwillige werden immer gesucht. Jeden Abend wird im Fernsehen dafür geworben.«
    »Man kann nicht mehr zurückkehren«, bemerkte er, »wenn man einmal ausgewandert ist. Man wird darüber informiert, bevor man unterschreibt. Es ist eine Reise ohne Wiederkehr.«
    »Das weiß ich. Aber zumindest würden wir leben. Wir würden nicht eines nachts Geräusche auf dem Dach oder vor der Tür hören. Ich glaube wirklich, du hättest den Anarchen befreien sollen; dann würden dir

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