Die Zeit der Androiden
Meine Mutter ist seit acht Jahren tot!«
»Das also war ihr kleiner Trick«, sagte Hammond leise. »Sie reichte in jene Tiefen des Herzens, wo die lieben Toten ihren Schrein haben. Und ich dachte, sie versuchte bloß meine Gedanken zu lesen!«
Er brach ab und sagte mit lauter Befehlsstimme: »Wachen Sie auf, Arnes! Sie und Ihre Leute waren für ein paar Minuten abwesend. Denken Sie nicht darüber nach, wie Miß Ellington es gemacht hat. Geben Sie ihre Personenbeschreibung an alle Wachen draußen durch. Wer sie sieht, soll sie mit gezogener Pistole auf Distanz halten.«
Als die drei aus dem Büro rannten, zeigte er auf einen Stuhl und blickte Dr. Gloge an. Gloge setzte sich, steif wie eine Marionette, die Sinne wie umnebelt, unfähig zu jeder vernünftigen Überlegung. Hammond zog etwas wie einen Drehbleistift aus seiner Brusttasche, drückte auf den Knopf und wartete.
Im fünften Stock desselben Gebäudes schaltete Helen Wendell die Sprechanlage auf ihrem Schreibtisch ein und sagte: »Ja, John?«
»Schalte sofort alle Abschirmungen ein!« sagte Hammond in Gloges Anschluß. »Gloge hat Strather ertränkt – als Opfer eines mißglückten Experiments. Aber die andere ist wach und unterwegs. Es ist schwer zu sagen, was sie als nächstes tun wird, aber sie könnte es notwendig finden, in mein Büro zu gehen, um aus diesem Gebäude zu kommen.«
Helen drückte einen Knopf. »Hier kommt sie nicht durch«, sagte sie. »Die Felder sind an.«
10.
Draußen war der Abend in Nacht übergegangen.
Um zwanzig Uhr achtzehn nahm Helen Wendell den Hörer vom summenden Telefon, warf einen Blick zur geschlossenen Tür und sagte: »Ja, bitte?«
»Ich bin hier am Schwimmbecken«, sagte John Hammonds Stimme. »Wir haben ihn gerade herausgefischt. Helen, der Bursche ist noch lebendig. Irgendein Reflex verhinderte das Einatmen von Wasser. Aber wir brauchen ein Sauerstoffzelt.«
Helens linke Hand griff zu einem anderen Telefon und begann eine Nummer zu wählen. »Willst du den Krankenwagen?«
»Ja, Du hast die Hausnummer. Sag ihnen, sie sollen sich beeilen. Wir müssen rasch handeln.«
»Auch Wachen in Polizeiuniformen?« fragte Helen.
»Ja, aber sie sollen vor dem Haus im Wagen bleiben. Wir sind außer Sicht, hinter einem hohen Zaun und einer Hecke. Und es ist dunkel. Ich werde mit ihnen zurückkommen. Ist Barbara gefangen?«
»Nein.«
»Ich hatte es auch nicht erwartet«, sagte Hammond. »Wenn ich zurück bin, werde ich die Wachen verhören.«
Barbara ließ sich von Arnes zum Aufzug bringen, wo er sich in dem Glauben, sie sei seine Mutter, mit einer zärtlichen Umarmung vor ihr verabschiedete.
Im Aufzug drückte sie den obersten Knopf und gelangte auf das Dach. Wie sie bereits wahrgenommen hatte, stand dort ein Hubschrauber startbereit. Und obwohl sie kein autorisierter Passagier war, nahm der Pilot sie mit, weil er sie für seine Freundin hielt. Ihr plötzliches Auftauchen erschien ihm völlig logisch.
Etwas später setzte er sie auf dem Dach eines anderen Gebäudes ab. Und auch das schien ihm die selbstverständlichste Handlung zu sein, ihr Grund, dort auszusteigen, offensichtlich. Er flog weiter und vergaß die Episode.
Die hastige Landung war eine dringende Notwendigkeit für Barbara. Sie fühlte, daß die neue Injektion zu wirken bekann, und als ihre erweiterte Wahrnehmung zwischen den unten vorbeihuschenden Gebäuden eins entdeckte, das unbewohnt und eine Art Warenspeicher war, hatte sie ihr Ziel.
Sie hatte gehofft, in einer der unteren Etagen ein Büro oder einen Raum mit einer Couch zu finden, wo sie die Nacht verbringen konnte. Aber sie kam nicht weiter als ins oberste Geschoß. Sie begann schon zu taumeln, als sie den Dachaufgang hinunterstieg. Zu ihrer Linken war eine Tür, die in einen fast leeren, staubigen Lagerraum führte. Sie schwankte hindurch, schloß sie hinter sich und schob einen Riegel vor. Dann ließ sie sich auf den Boden fallen.
Während der Abend und die Nacht dahingingen, verlor sie niemals ganz das Bewußtsein. Eine völlige Ohnmacht war für sie nicht länger möglich. Aber sie konnte fühlen, wie ihr Körper sich veränderte …
Die Energieströme in ihr gewannen eine andere Bedeutung. Sie waren getrennt vor ihr. Bald sollten sie wieder kontrollierbar werden, aber in einer völlig anderen Art.
Etwas von Barbara schien mit diesem Bewußtsein zu verschwinden. Sie fühlte selbst, daß ihr »Ich« schon in diesem frühen Stadium der Fünfhunderttausend-Jahre-Umwandlung ein
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