Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
auch leicht, von der Siedlung zu erzählen. Nicht von Ottfried und ihrem Martyrium in seinem Bett, seinen Prahlereien und seinen Eskapaden, sondern vom Aufbau der Gemeinde, von den Missionaren, vom Hausbau und den immer wiederkehrenden Fluten.
»Ich kann mir gut vorstellen, wie Vater Lange darauf reagiert hat«, meinte Karl grimmig. » › Danken wir Gott, dass immerhin nur die Hälfte davongeschwemmt wurde … ‹ « Er hob flehend die Hände und imitierte Jakob Langes Predigerstimme.
Ida kicherte. »Noch schlimmer«, sagte sie. »Beim ersten Mal wurde Schlamm angeschwemmt, der meinen ganzen Garten bedeckte. Da sollte ich Gott für die gute, neue Muttererde danken!«
Karl lachte mit. »Und beim nächsten Mal sicher dafür, dass bei der Sintflut ein paar Ratten ertrunken sind.«
»Und dafür, dass uns in den nächsten Monaten keine Dürre treffen würde …«, witzelte Ida weiter.
Gleich darauf überboten sich die beiden mit den aberwitzigsten Ideen dazu, was man an der Überschwemmung von Sankt Paulidorf noch Dankenswertes finden konnte. Ida fühlte sich dabei schuldig, doch sie hatte seit Jahren, vielleicht überhaupt noch nie vorher in ihrem Leben, so unbeschwert gelacht.
»Ich danke Gott jedenfalls ganz ehrlich, dass er dich von Sankt Paulidorf weggeschwemmt hat, Ida!«, sagte Karl schließlich und wurde schlagartig ernst. »Ich weiß, das ist sündig, ich hätte mir nicht wünschen dürfen, dass dieses Siedlungsvorhaben schiefgeht, aber ich habe euch ja gewarnt, mehr konnte ich nicht tun. Insofern denke ich, Gott wird mich nicht dafür verurteilen, dass ich dir ein anderes Leben wünschte. Wann … wann ist er eigentlich so geworden?«
Ida runzelte die Stirn. »Wer? Gott?«
Karl lachte gezwungen. »Selbstverständlich nicht. Entschuldige, es war ein Gedankensprung. Ich meinte natürlich Ottfried. Wann hat er sich so geändert? Ich hab ihn nie gemocht, Ida, und ich hab dich ihm nie gegönnt. Aber ich dachte doch, er wäre ein rechtschaffener Mann. Ich dachte, er wäre wie dein Vater … oder sein Vater.«
»Die sind auch nicht einfach«, sagte Ida leise.
Karl legte den Arm um Carol, die mit den Zügeln der ruhig dahintrottenden Pferde spielte. Karl umschloss ihre winzigen Hände mit den seinen. Und ein bisschen berührte er dabei auch Ida.
»Meinst du nicht, du verniedlichst die Sache, wenn du Ottfried nur als schwierig bezeichnest? Ida, er trinkt. Er arbeitet nicht. Er hat all sein Geld verspielt.«
»Er hat noch was für die Schafe gehabt«, stieß Ida entschlossen zwischen den Zähnen hervor.
Sie drückte Linda so heftig an sich, dass die Kleine empört aufjammerte. Es war so schön gewesen, mit Karl zu scherzen. Warum musste er das jetzt wieder zerstören? Sie hasste es, Ottfried verteidigen zu müssen. Aber er war doch ihr Mann.
»Was mich immer noch wundert«, gab Karl zurück. »Und er behandelt dich schlecht. Nein, das hat mir niemand erzählt, auch Cat nicht, obwohl der die Wut in den Augen steht, wenn du wieder mal mit verweintem Gesicht in den Stall kommst. Und ich höre den Hund bellen und die Kinder weinen. Und ich … ich spüre deine Traurigkeit, Ida, und deine Angst. Ich halte es manchmal kaum aus.«
Während er sprach, hatte er nach vorn gesehen, nun wandte er sich ihr zu. Sein Blick war voller Sorge, aber auch forschend, und darin stand die Hoffnung, sie würde sich ihm endlich öffnen.
»Wenn ich es aushalte«, sagte Ida leise, »kannst du es auch aushalten. Oder denkst du immer noch daran zu fliehen? Das nächste Schiff zu nehmen nach Bahia?«
Karl ließ die Zügel in eine Hand gleiten und legte den linken Arm jetzt ganz um Ida, zog sie und die beiden Kinder an sich.
»Du brauchst nur ein Wort zu sagen, Ida. Wenn du es willst, wenn du es schaffst, wenn du mit deinem Gott und deinem Gewissen oder was auch immer dich bei Ottfried hält, zurechtkommst, dann nehmen wir das nächste Schiff und fahren bis ans Ende der Welt.«
Ida versuchte, nicht über Konsequenzen nachzudenken, als sie sich Karls vorsichtiger Umarmung vertrauensvoll überließ. Sie wollte nicht darüber grübeln, ob er sich später weitere Freiheiten herausnehmen würde, wenn sie ihm jetzt nichts entgegensetzte. Sie genoss einfach die Wärme seiner Nähe, lauschte, wenn er mit den Kindern scherzte und plauderte, und saß am Abend entspannt mit ihm am Feuer. Sie wiegte die Kinder in den Schlaf, während er Fische fing und briet und fast so geschickt Wurzeln ausgrub und zubereitete wie Cat.
»Auf der
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