Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Karl Konkurrenz machen?«
Cat hob die Hände. »Ach, Ida, wer spricht denn von Konkurrenz? Soweit ich weiß, kaufen die Wollfabrikanten in London so viel Wolle, wie sie nur kriegen können. Da macht jeder das gleiche Geschäft. Ich dachte eher, mit Fenroy Station zusammenzuarbeiten. Was die Schur angeht zum Beispiel, da werden wir bald professionelle Schafscherer brauchen, die unsere Leute anlernen. Und die sind dünn gesät, jeder Züchter auf der Südinsel ist hinter den paar Männern her, die sich auf Schafschur wirklich verstehen. Da liegt es doch nahe, wenn wir alle zusammen welche anheuern, die Redwoods, die Deans, Fenroy Station, die Ngai Tahu und ich.«
»Mommy, Pipi!«
Bevor Ida etwas erwidern konnte, meldete sich Lindas helles Stimmchen. Ida sprang sofort auf. Sie begann gerade, die Kleinen von den Windeln zu entwöhnen, und sie meldeten sich auch manchmal, wenn sie auf den Abtritt mussten. Allerdings meistens zu spät.
»Ich bin gleich wieder da«, entschuldigte sich Ida. »Komm, Linda, wir gehen. Und du komm auch gleich mit, Carol.«
Ida eilte, die Kinder auf den Armen, durch den Korridor dem Abtritt zu. Dabei passierte sie die halb offene Tür zum Herrenzimmer, einem eher düsteren, verqualmten Raum, in dem die Deans-Brüder sich auf abgewetzten Ledersofas vor dem Kamin räkelten, ihre Collies zu ihren Füßen und gefüllte Whiskeygläser vor sich. Karl saß bei ihnen und winkte Ida lächelnd zu, als sie mit den Kindern vorbeilief. Die Männer waren in ein Gespräch vertieft, aber Ida hatte es zu eilig, um darauf zu hören. Erst als sie ein paar Minuten später zurückkehrte – die Mädchen krabbelten ihr schon voraus, um Cat von der erfolgreich erledigten Mission zu berichten –, vernahm sie Karls und Williams Stimmen. Und verhielt im Korridor vor dem Herrenzimmer, um zu lauschen.
»Und was wird nun aus Cat und ihren Schafen?«, fragte John Deans.
»Weiß ich nicht«, antwortete Karl. »Sie hat nichts gesagt. Chris nimmt natürlich an, sie würde die Tiere unserer Herde zuschlagen.«
»Noch ein Teilhaber?«, fragte William skeptisch. »Wird euch das nicht zu viel, wenn da jeder mitreden will? Demnächst müsst ihr Parlamentssitzungen einberufen, bevor ihr ein Schaf decken lasst.«
Die Brüder lachten dröhnend.
»Da wir gerade beim Thema sind …« Das war John, und er klang ernst. »Da ist noch was, das wir mit dir bereden wollten, oder mit Chris. Es geht uns ja eigentlich nichts an, aber Ida ist eine so nette Frau. Und die reizenden Kinder … Es geht einfach nicht …«
Ida meinte fast sehen zu können, wie Karl sich aufrichtete. »Was ist mit Ida?«, fragte er.
Ida vernahm ein Gluckern, offensichtlich füllte einer der Deans die Whiskeygläser erneut.
»Ihr Mann, Otie, hockt seit Tagen in Jefferson’s Pub in Port Cooper. Verspielt und vertrinkt die Einnahmen. Schon das ist nicht in Ordnung. Aber vor allem … er führt sehr lose Reden, Karl. Er brüstet sich mit allen möglichen Abenteuern. Mit den … zwei Frauen, mit denen er in die Plains kam.« William brach ab, wohl um einen Schluck Whiskey zu nehmen.
»Versteh uns richtig, Karl«, übernahm dafür John das Wort. »Wir glauben nichts von dem Gerede, und den Kerlen in Port Cooper, den Walfängern und Skippern und Seehundjägern, denen ist es völlig egal, wie viele Frauen euer Otie geschwängert hat. Die Siedlung wächst allerdings, und diese neuen Leute, die eine Stadt an der Avon-Mündung gründen, die sind richtig religiös. Soll ja auch Christchurch heißen, das sagt wohl alles. Anglikaner oder was weiß ich. Jedenfalls bauen die jetzt die Kirchen, in denen Lindy und Carrie mal getraut werden sollten. Möglichst mit guten, ehrlichen Gemeindemitgliedern. Wenn sich da diese Gerüchte verbreiten. So was bleibt doch hängen …«
Ida hörte nicht mehr, was Karl antwortete. Sie wich zurück, als hätte man sie geschlagen, und sie verstand zum ersten Mal, was Menschen meinten, wenn sie rotsahen. Das Gefühl, das in ihr aufstieg, war wild und zerstörerisch. Vielleicht ein bisschen mit dem Rausch zu vergleichen, in dem sie damals die Ratte getötet hatte, doch noch sehr viel lodernder, alles erfüllender. Ida bebte vor Wut, mehr als je zuvor in ihrem Leben, vielleicht war es sogar das erste Mal, dass sie überhaupt Wut empfand. Was sie bisher dafür gehalten hatte, war lediglich dumpfe Verärgerung, Enttäuschung und Entrüstung gewesen. Nun brannte sie, sie hatte nur noch den Wunsch, Ottfried anzuschreien, zu schlagen, zu
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