Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Übernahme ihrer Farm. Der Diebstahl eines Teils ihrer Schafe war immer noch nicht aufgeklärt.
»Dabei müssten die doch irgendwo sein«, meinte Pete. »So viele Schafstationen gibt es ja noch nicht auf der Südinsel.«
»Vielleicht hat man sie einfach geschlachtet«, vermutete Jane desinteressiert. »Irgendein Maori-Stamm, der noch nicht zivilisiert ist.«
Den ihrigen versuchte sie eifrig weiter zu »zivilisieren« – in gewisser Hinsicht mit Cats Hilfe. Die junge Frau nahm die Pflichten ernst, die sie bei der Aufnahme in den Stamm übernommen hatte –, sie unterrichtete die Kinder in Englisch, Lesen und Schreiben. Nur mit dem Rechnen tat sie sich weiterhin schwer. Janes Haltung zu Cats Lehrtätigkeit war gespalten. Einerseits begrüßte sie jede Bildungsanstrengung, andererseits beobachtete sie argwöhnisch, dass Cat immer mehr Einfluss im Stamm gewann. Sie hasste es, sie in vertraulichem Gespräch mit dem Häuptling zu sehen. Bisher hatte Te Haitara nur Jane so bewundernd angesehen, wenn sie ihm pakeha -Angelegenheiten begreiflich machte. Cat mit ihrem fließenden Maori fiel das natürlich leichter. Jane empfand zum ersten Mal in ihrem Leben Eifersucht.
Karl und Ida schafften es den gesamten Winter über, ihre von Ida endlich zugelassene Liebe vor Ottfried zu verbergen. Es war nicht einfach, Chris und Cat fanden, dass die Blicke, mit denen sie einander folgten, und die verstohlenen Berührungen kaum zu übersehen waren. Und auch ihre gelegentlichen Treffen konnten in der kalten, regnerischen Jahreszeit nicht einfach auf den Weiden, den Ebenen rund um die Farm oder im Wäldchen am Fluss stattfinden. Wenn die beiden es ohne einander nicht mehr aushielten, mussten sie überdachte Plätze finden. Meist liebten sie sich im Stall, in der Scheune oder in dem neu errichteten Scherschuppen, der auf die erste Schafschur wartete. Hinzu kam, dass Ida auch die Kinder nicht mehr einfach in einen Korb legen und am Rande des Geschehens schlafen lassen konnte. Carol und Linda liefen inzwischen und waren ausgesprochen lebhaft. Sie wollten beschäftigt werden, und auf keinen Fall konnte man sie beim Liebesspiel einfach zusehen lassen. Karls und Idas heimliche Treffen erforderten also eine komplizierte Vorbereitung. Die Kinder mussten erst ins Maori-Dorf zu Cat oder in die Obhut einer der anderen Frauen gebracht werden, was nicht ohne Gefahr war. Ottfried hätte Fragen nach Idas Verbleib gestellt, wäre er des Aufenthalts der Mädchen im Dorf gewahr geworden. Die Liebenden gingen das Risiko jedoch immer wieder ein, und das nicht nur auf Karls Drängen.
Tatsächlich war es eher Ida, die das Wunder kaum fassen konnte und sich deshalb immer wieder seiner Liebe versichern musste. Sie umarmte Karl jedes Mal mit größerer Leidenschaft – ganz langsam entwickelte sie sich zu dem Mädchen und dann zu der Frau, die sie außerhalb Raben Steinfelds hätte werden können. Ida duckte sich nicht mehr und überprüfte nicht mehr jeden Gedanken auf Gottgefälligkeit. Sie sprühte vor Ideenreichtum und Witz, brachte Karl zum Lachen und zum Staunen. Wenn sie sich liebten, berührte er sie immer noch mit Vorsicht, doch je öfter sie zusammen waren, desto mehr fasste sie Vertrauen.
Nach dem Eklat im Pub hatte Ottfried Ida eine Zeit lang in Ruhe gelassen. Ihr Ausbruch schien tatsächlich sein Selbstwertgefühl erschüttert zu haben, oder er wagte es nicht, unter Karls und Chris’ Beobachtung Rache zu nehmen. Die beiden Männer hielten ein Auge auf Ida, und Ottfried wusste, dass er ihre Duldsamkeit nicht überstrapazieren durfte. Sie hatten bei einem Einkauf in Port Cooper herausgefunden, dass Fenroy Station beim Futtermittel- und beim Eisenwarenhändler verschuldet war, und das hatte zu einem heftigen Streit geführt. Chris Fenroy nahm kein Blatt vor den Mund, er drohte damit, Ottfried die Teilhaberschaft aufzukündigen. Natürlich hätte er das um Idas und Karls Willen niemals wahr gemacht, aber sicher konnte sich Ottfried nicht sein, und mitten im Winter mit seiner Familie und einer inzwischen fast hundertköpfigen Schafherde auf sich allein gestellt zu sein, wollte er nicht riskieren. Schließlich bewohnten die Brandmanns nach wie vor das alte Farmhaus, Ottfrieds großartig angekündigter Bau eines Wohnhauses auf seinem eigenen Land war über den Plan noch nicht hinausgelangt.
Doch auch, wenn Idas Mann sie nicht mehr ganze Nächte lang quälte, begann er doch einige Zeit nach der Sache in Port Cooper, wieder mit ihr zu schlafen. Er nahm
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