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Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Titel: Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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setzte und nach dem Inhalt des Gesprächs ausfragte, würde sie die Wahrheit sagen. Ida mochte vielleicht einmal Sachen verschweigen, aber zu lügen war für sie undenkbar.
    Karl hielt also blutenden Herzens mit seiner Neuigkeit zurück und belog auch den Geistlichen der Gemeinde über die Notwendigkeit der Ausstellung eines Passes. »Im Winter habe ich hier kein Auskommen, Herr Pastor«, erklärte er und verschränkte demütig die Hände. »Und betteln will ich nicht. Aber wenn ich für ein paar Wochen nach Brandenburg gehe oder nach Holstein … Da mag sich eher etwas finden.«
    Der Wechsel zwischen den Fürstentümern und Kleinstaaten erforderte einen Ausweis, und der Geistliche stellte die dazu nötigen Abschriften ohne weitere Fragen aus.
    Karl beschloss, auch die Mitreisegelegenheit auf den von De Chapeaurouge gestellten Fuhrwerken nicht zu nutzen. Außer einem Bündel besaß er kein Gepäck, es musste also möglich sein, sich anderweitig in die etwa achtzig Meilen entfernte Stadt Hamburg durchzuschlagen. Im Zweifelsfall würde er laufen.
    Als Karl schließlich stolz seinen Pass in Händen hielt, war eigentlich alles geregelt und entschieden – wenn es da nur nicht so viele Fragen gegeben hätte, die ihm noch auf den Nägeln brannten. Er dachte schon darüber nach, einen weiteren Brief an John Nicholas Beit zu schreiben, aber diesen wichtigen Mann konnte er nun wirklich nicht mit seinen Zweifeln und seinem Wissensdurst belästigen. Erst im letzten Moment fiel ihm jemand ein, der mehr wissen mochte – und der ihn auch sicher nicht verraten würde, selbst wenn er ihm von seiner Auswanderung erzählte. Karl wusste eigentlich selbst nicht, warum er Lehrer Brakel derart blind vertraute – seit er die Schule hatte verlassen müssen, hatte er kaum mehr als wenige Grußworte mit ihm gewechselt. Aber dennoch war da das Gefühl, in ihm einen Freund zu haben. Vielleicht, weil der Lehrer keine Unterschiede zwischen den Kindern der Häusler und Bauern und denen der Tagelöhner gemacht hatte. Für Brakel war es nur wichtig, wie fleißig und klug man war, und da hatte Karl ihn nie enttäuscht.
    Einen Tag vor seinem geplanten Aufbruch – er gedachte, das Dorf eine Woche vor der Abreise der anderen Siedler zu verlassen – klopfte er an die Tür des Schulmeisters. Der Lehrer öffnete sofort. Es schneite erneut, und bei diesem Wetter war eigentlich jeder zu Hause.
    Karl drehte nervös seine Mütze, die er höflich abgenommen hatte, in den Händen. Hoffentlich empfand Brakel seinen Besuch nicht als Belästigung! Er atmete auf, als der Lehrer lächelte, nachdem die erste Verwunderung aus seinem Gesicht gewichen war.
    »Karl Jensch! Wie schön, dass du mich einmal besuchst! Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet … Komm doch herein, du bist ja ganz durchnässt und verfroren. Zieh deine Jacke aus, bei mir ist es warm. Wir legen sie ans Feuer zum Trocknen …«
    Schüchtern folgte Karl dem Schulmeister in dessen kleines, anheimelnd warmes Haus. Im Kamin brannte ein flackerndes Feuer – die Eltern seiner Schüler versorgten den Lehrer stets reichlich mit Feuerholz, und auch wenn in den Bauernfamilien geschlachtet und gebraut wurde, fiel für Brakel meist etwas ab. Der Lehrer hatte wohl am Feuer gesessen und ein Buch gelesen. Neben dem gemütlichen Ohrensessel – alles Mobiliar in diesem Haus war einfach, aber gediegen – stand ein Becher mit Warmbier.
    »Setz dich doch!«
    Brakel schob einen Stuhl ans Feuer, während Karl verlegen von einem Fuß auf den anderen trat. Er wusste nicht, wie man sich bei einem Besuch verhielt, die Jenschs waren nie irgendwo eingeladen gewesen oder hatten Besucher empfangen und bewirtet.
    »Möchtest du auch einen Schluck Bier? Ach, natürlich möchtest du, schon um dich aufzuwärmen …«
    Geschäftig füllte der Lehrer Bier aus einem Krug in einen Kessel, den er über das Feuer hängte. Aromatischer Geruch stieg davon auf. Brakel entnahm einem Wandschrank einen weiteren Becher. All diese Verrichtungen schienen ihm sehr vertraut, er führte sein Haus seit Jahren allein. Seine Frau war gestorben, kurz nachdem er nach Raben Steinfeld gekommen war.
    »Und was führt dich nun her, Karl?«, fragte Lehrer Brakel vergnügt, als Karl auf der Stuhlkante Platz genommen hatte und nun auch befangen an seinem Becher nippte. »Sprich nur freiheraus!«
    »Dies hier«, sagte Karl und nestelte den Brief von Beit aus seiner Gürteltasche.
    Die hatte er sich extra aus einer alten Arbeitshose angefertigt,

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