Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
wo ihr der Kopf stand über all den Dingen, die zu regeln, den Sachen, die zu packen waren. Der Transport von Hausrat war teuer, und so hatte Jakob Lange entschieden, den Besitz seiner Familie größtenteils zurückzulassen. Er hatte das Haus möbliert verkauft. Über kleinere Dinge des täglichen Bedarfs musste Ida jedoch selbst entscheiden. Sollte sie die bestickten Tischtücher und die fein gewebte Bettwäsche aus der Aussteuer ihrer Mutter mitnehmen? Es war nun ihre eigene, Ida konnte sich nicht vorstellen, die Ehe ganz ohne Brauttruhe einzugehen. Jakob Lange nahm sein Schmiedewerkzeug mit in die neue Heimat. Aber würden sie auch Töpfe und Pfannen brauchen, Teller und Becher? Die Langes besaßen kein edles Porzellan, nur irdenes Geschirr, das überall im Fürstentum für wenig Geld zu ersetzen wäre. Was war, wenn es all das in Neuseeland gar nicht gab?
Ida hätte viele tausend Fragen gehabt, die sie niemandem stellen konnte. Schließlich beschränkte sie sich auf das Nötigste. Sie nahm jeweils zwei Kleider und Schürzen für sich und ihre Schwester mit sowie Unterwäsche zum Wechseln. Auch für den Vater und die Brüder gab es nur ein Hemd und eine Hose zusätzlich zu den Sachen, die sie am Leibe tragen würden. Das war nicht viel, doch Ida sparte den Platz lieber für die Aussteuer. Kleider musste es in Nelson zu kaufen geben – man lief da schließlich nicht nackt herum. Ob es allerdings Bett- und Tischwäsche gab, und ob der Vater bereit wäre, Geld für ihren und Elsbeths Brautschatz auszugeben, nachdem sie all diese Herrlichkeiten einfach in Mecklenburg zurückgelassen hatte, war zu bezweifeln. Zudem würden sie die Truhen während der Reise ohnehin nicht bei sich haben, wie das Merkblatt von Beit verriet. Also reichte es, nur Sachen zum Wechseln in Bündel zu packen.
Ida fragte sich auch, wie es mit Proviant aussehen würde. Beit versprach Verköstigung während der Reise, ob man nicht dennoch besser etwas Brot und ein paar Würste mitnahm? Drei Monate auf See … Ida graute es vor der Überfahrt.
Bei all dem hatte sie kaum Zeit, an Karl zu denken, aber als sie schließlich auf dem Leiterwagen saßen, der sie – ziemlich unbequem – von Schwerin nach Hamburg bringen sollte, verspürte sie Bedauern. Sie hätte sich wenigstens von ihm verabschieden sollen. Er hätte allerdings auch mal vorbeikommen können, um ihr Lebewohl zu sagen! Der Gedanke, ihn niemals wiederzusehen, verursachte einen vagen Schmerz in ihrem Herzen, aber sie versuchte, nicht daran zu denken. Jeder hatte auf dem Platz zu bleiben, den der Herrgott ihm zugewiesen hatte … Jeder Mann zumindest, während die Frau ihrem Gatten zu folgen hatte. Wer war sie, sich darüber zu grämen, dass sich Karls und ihr Geschick so deutlich unterschieden?
Die Reise nach Hamburg bedeutete einen Tag und eine Nacht Gerüttel und Geschüttel in dem unbequemen Gefährt. Elsbeth, Idas jüngere Schwester, beschwerte sich unausgesetzt, ebenso Franz, der kleine Bruder, der vor Müdigkeit greinte. Anton, das älteste ihrer Geschwister, war dagegen bester Stimmung. Er fuhr auf einem Wagen mit Ottfried und anderen jungen Männern, und alle machten eifrig Pläne für das neue Land. Auf die Jagd würden sie gehen und Fleisch im Überfluss haben … In dem neuen Land gab es schließlich keinen Junker, der alle Wildtiere für sich beanspruchte!
Idas Einwände, dafür gebe es in Neuseeland aber auch keine Rehe und Hirsche, sondern lediglich Insekten und Vögel, lachten sie weg. Anscheinend war sie die Einzige, die das Buch über Neuseeland und Australien gelesen hatte, das ihr Vater bei seinem letzten Besuch in Schwerin erstanden hatte. Es hatte Ida immerhin dahingehend beruhigt, dass sie in Neuseeland keine Giftschlangen und andere gefährliche Tiere zu erwarten hatte – ganz im Gegensatz zu Australien.
Das Wetter in Übersee, so begeisterte sich Anton, als es wieder zu schneien anfing … Wieder etwas, das Ida nicht bestätigen konnte. In manchen Teilen der Südinsel sollte es ganz schön viel regnen, aber sie hatte keine Ahnung, wo sich die Stadt Nelson befand. Und schmucke Häuser wollten die jungen Männer sich bauen, von dem Geld, das sie mit ihrem Handwerk verdienten! Das sei bestimmt viel, meinte Anton. Schließlich gebe es in Nelson bislang sicher keine Schmiede. Der Gedanke, dass es vielleicht auch keine Pferde gab, schien ihm gar nicht zu kommen, ebenso wenig wie Ottfried über das Holz nachdachte, aus dem er Möbel zimmern würde. Nun gab es
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