Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
um seine wenigen Wertsachen nah am Körper tragen zu können und vor allem die Papiere trocken zu halten.
Als Brakel las, ging in seinem runden, freundlichen Gesicht ein Strahlen auf. »Ach, das freut mich für dich, Karl!«, sagte er herzlich. »Es hat mich stets gedauert, dich so im Elend zu sehen. Du bist ein derart heller Kopf, du hast mehr verdient, als dich hier für ein paar Pfennige zu Tode zu schuften!«
»Ja, wirklich, Herr Lehrer?« Karl schaute überrascht auf und fühlte sich gleich etwas wohler. »Ihr verdammt das nicht? Ihr denkt nicht, dies sei hoffärtig und ich sollte an dem Platz bleiben, den Gott mir zugewiesen hat?«
Brakel wehrte ab. »Ach, wer kennt Gottes Willen schon, Junge? Und die Wege, auf die er uns führt? Wäre es nicht gerade hoffärtig zu meinen, er könnte seine Pläne für dich nicht ändern? Nein, nein, Karl, da musst du dich nicht sorgen. Nichts geschieht gegen den Rat des Allmächtigen. Wenn er dir die Gnade erweist, dein Glück machen zu dürfen, dann greif nur nach den Sternen!«
Karl lächelte. »Danke, Herr Lehrer!«, sagte er aus tiefster Seele.
Der Lehrer winkte ab. »Nichts zu danken. Aber war es nun das, was dich herführte? Also, eine solche Frage hätte ich ja eher dem Pastor gestellt.«
Der sie wahrscheinlich gänzlich anders beantwortet hätte, dachte Karl respektlos, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Herr Lehrer. Es sind andere Dinge, die mich beschäftigen … Ich habe Fragen zu … zu diesem neuen Land.«
»Neuseeland?« Brakel lächelte. »Nun, da bist du nicht der Einzige. Meine Schüler reden schon von nichts anderem mehr als von der Auswanderung. Dabei war ich natürlich auch noch nicht da. Ob meine Antworten also immer richtig sind, vermag ich nicht zu sagen. Aber fangen wir doch einfach an. Du willst wissen, wo es liegt, habe ich Recht?«
Karl schüttelte wieder den Kopf, und diesmal wirkte es fast etwas beleidigt. »Das weiß ich längst!«, erklärte er. »Das habe ich gelesen.«
»In besagtem Büchlein über Kapitän Cook, dem einzigen Ding, das unsere brave Ida zeit ihres Lebens verbummelt haben will?« Der Lehrer grinste breit. »Habe ich mir doch gleich so was gedacht, als das Buch verschwand, kurz nachdem sie das Schulheft für dich abgeholt hatte. Hast du’s stibitzt, oder hat sie es dir gegeben?«
Karl runzelte die Stirn. Jetzt wirkte er wirklich verletzt. »Ich stehle nicht, Herr Lehrer!«, sagte er stolz.
»Schon gut, schon gut!« Brakel hob entschuldigend die Hände und nahm dann den Kessel vom Feuer, um Karls und seinen Becher erneut zu füllen. »Es war ja nur eine Frage, und du warst gerade dreizehn Jahre alt und so begierig, diese Geschichte zu lesen. Also: Wenn du das Buch kennst, weißt du womöglich mehr über deine neue Heimat als ich. Auf jeden Fall mehr als deine Mitreisenden. Anne Bensemann jedenfalls vermutete Neuseeland auf der anderen Seite von Brandenburg.«
Er wirkte erleichtert, als Karl wieder lachte.
»Manche Sachen stehen aber nicht in Büchern«, bemerkte Karl. »Jedenfalls nicht in diesem. So heißt es zum Beispiel … Es heißt, sie sprächen da eine andere Sprache …«
Der Lehrer nickte. »Ja. Neuseeland ist eine britische Kolonie. Die meisten Siedler kommen aus England, Irland oder Schottland. Sie dürften Englisch sprechen.«
»Anton Lange sagt, wir müssten das nicht lernen …« Karl hatte die Söhne der Auswanderer ausgehorcht, so unauffällig es eben ging. »Wir blieben doch unter uns …«
Brakel zog die Stirn kraus. »Ich könnte mir denken, dass Anton einfach keine Lust hat, es zu lernen«, meinte er dann lächelnd. »So gern hat er ja nie die Bücher gewälzt.«
»Und Heinz Bensemann sagt, es sei einfach. Man würde es von selbst lernen. Kleine Kinder lernen ja auch von allein sprechen. Ist es einfach, Herr Lehrer? Ich kann mir nicht helfen, aber eine fremde Sprache … Mir macht das Angst.«
Brakel überlegte. Er selbst hatte nie ein Wort Englisch gehört, im Lehrerseminar hatte er nur ein paar Brocken Griechisch und Latein gelernt. Er erinnerte sich an endloses Vokabel- und Grammatikstudium.
»Nein, Karl«, meinte er schließlich. »Von selbst wirst du die Sprache nicht lernen. Wenn man erst mal erwachsen ist, funktioniert das nicht mehr. Und einfach ist es sicher auch nicht. Ich könnte mir denken, dass viele sich schwer damit tun werden, gerade die älteren Auswanderer. Aber du, Karl, bist jung und aufgeweckt. Ganz sicher wirst du sehr bald genauso fließend Englisch sprechen
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