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Die Zeit der Hundert Königreiche - 4

Die Zeit der Hundert Königreiche - 4

Titel: Die Zeit der Hundert Königreiche - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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einzig Gute an der ganzen Angelegenheit.«
Sie mußten noch einen Tag marschieren, bis sie auf die Armee von Serrais stießen, und das bedeutete eine weitere Nacht im Feldlager. Unter normalen Umständen sah Paul Melisandra nicht einmal, wenn sie mit den Truppen unterwegs waren. Nun war aber nahe
dem Lager ein kleiner Hain mit einer Quelle. Als der nächtliche Nieselregen zu fallen begann (Bard sagte ihm, das sei normal für die Jahreszeit, nur im Hochsommer regne es nicht - weich ein Klima!) schlenderte Paul in die Richtung der Baumgruppe, und Melisandra, in den grauen Mantel einer Leronis gehüllt, winkte ihn zu sich. Ein paar Minuten lang standen sie in enger Umarmung. Dann flüsterte er ihr etwas zu und wies bedeutungsvoll mit dem Kopf auf die Deckung gewährenden Bäume. Melisandra schüttelte den Kopf.
»Es wäre nicht schicklich. Nicht jetzt, wenn wir bei der Armee sind. Glaubst du nicht, daß auch ich es möchte, mein Geliebter? Aber unsere Zeit wird kommen.«
Er wollte schon Einspruch erheben. Woher sollte er wissen, daß sie nach diesem Feldzug überhaupt noch Zeit haben würden? Aber der Ausdruck ihrer Augen verschloß ihm den Mund. Er konnte Melisandra nicht wie eine Troßdirne behandeln. Bald darauf kehrte sie zu den anderen Leroni zurück. Ihr Vater, sagte sie, würde schon zornig werden, wenn er von dieser flüchtigen Umarmung wüßte. Es kümmerte ihn nicht, wen sie liebte. Doch täte sie es verstohlen, während eines Feldzugs, wenn alle anderen ihre Lieben zurücklassen mußten, würde er das für sehr schlechtes Betragen halten. Sie ging, und er sah ihr gedankenverloren nach. Dies war das erste Mal, daß er auf die Vorhaltungen einer Frau gehört hatte. Jede andere, die so zu ihm sprach, hätte er für eine billige Schlampe gehalten, die ihn hinhalten und an der Nase herumführen wollte
geschehen? Warum war Melisandra anders?
Ein unwillkommener Gedanke schoß ihm durch den Kopf. Hatte sein eigenes Betragen in der letzten Zeit zu wünschen übriggelassen? Paul neigte nicht dazu, die Richtigkeit seiner eigenen Motive und Handlungen in Frage zu stellen, und so war das eine ganz neue Idee für ihn, die er sofort beiseite schob. Melisandra war eben anders, das war alles, und Liebe war die Kunst, Ausnahmen zu machen. Aber heute schien die Nacht der unwillkommenen Gedanken zu sein. Er lag wach, unfähig einzuschlafen, und grübelte, was geschehen würde, wenn Bard erfuhr, daß es mit Melisandra keine flüchtige Affäre war, sondern daß er sie für immer wollte. Und wenn er und Bard der gleiche Mann waren, wenn sie auf sexuellem Gebiet den gleichen Geschmack und die gleichen Begierden hatten, warum war er Melisandras nicht ebenso wie Bard sofort müde geworden? Ich fühle mich ihr gegenüber nicht schuldig, und deshalb bereitet Melisandra mir kein Unbehagen … und Paul hätte beinahe gelacht. Bard sollte sich wegen irgend etwas schuldig fühlen? Bard war von neurotischen Schuldgefühlen freier als jeder andere Mann, den Paul gekannt hatte, ebenso frei davon wie Paul selbst. Schuld war etwas, das Frauen und Pfaffen erfunden hatten, um die Männer daran zu hindern, zu tun, was sie wollten und konnten, ein Hilfsmittel der Schwachen, ihren Willen durchzusetzen … Trotzdem dauerte es noch lange, bis Paul einschlafen konnte. Verdrießlich fragte er sich, was diese Welt eigentlich aus ihm machte.
Wenigstens war das besser als die Stasis-Zelle. Und mit diesem Gedanken gelang es ihm endlich einzuschlafen.
Der nächste Tag war grau und trübe. Regen strömte herab, und es überraschte Paul, daß weitermarschiert wurde. Dann sagte er sich, wenn die Leute sich in diesem Klima vom Regen aufhalten ließen, würden sie nie irgend etwas tun. Und tatsächlich sah er Hirten, die auf merkwürdigen gehörnten Tieren ritten und Herden bewachten, von denen Bard sagte, es seien Rabbithorns. Bauern, viele davon Frauen, eingehüllt in dicke karierte Mäntel und Tücher, waren beim Umgraben. Wenigstens, dachte er düster, brauchten sie sich um die Bewässerung ihrer Feldfrüchte keine Gedanken zu machen. Er war froh, daß er kein Bauer war. Nach dem wenigen, was er von der Landwirtschaft wußte, war es immer entweder zu naß oder zu trocken. Sie ritten an einem See vorbei und sahen Fischer in kleinen Booten, die im Regen ihre Netze einholten. Paul nahm an, die Fischerei sei gut dafür geeignet, im Regen betrieben zu werden.
Um die Mittagszeit - die Tage waren hier länger, und Paul war sich nie sicher, wie spät es war, wenn er

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