Die Zeit der Hundert Königreiche - 4
Recht zu sagen: Ja, hier bin ich, aber du darfst mich nicht anrühren? Ich bin auch der Meinung, daß Frauen nicht berührt werden sollten, die unter dem Schutz ihrer Männer zu Hause bleiben. Doch die Schwestern vom Schwert haben auf diesen Schutz verzichtet … « »Glaubst du, alle Frauen seien gleich? Ich kenne die Schwestern vom Schwert nicht, auch wenn ich hin und wieder mit einer von ihnen gesprochen habe. Ich weiß sehr wenig von ihrem Leben. Wenn sie sich jedoch entschlossen haben, das Schwert zu ergreifen, sehe ich nicht ein, warum man sie das nicht in Frieden tun lassen soll … « Sie merkte, was sie gesagt hatte, und kicherte. »Das meine ich natürlich nicht. Aber man sollte sie nicht daran hindern. Warum soll der Zufall der Geburt sie des Rechts berauben, Krieg zu führen, wenn sie das dem Nähen von Mänteln und Sticken von Kissen und Zubereiten von Käse vorziehen?«
Paul mußte über ihren Eifer lächeln. »Als nächstes wirst du noch sagen, Männer sollten das Recht haben, ihr Leben mit dem Besticken von Tischtüchern und dem Waschen von Windeln zuzubringen!« »Zweifelst du daran, daß manche Männer dazu besser geeignet wären als für den Krieg?« fragte sie. »Und wenn sie Röcke anziehen und zu Hause bleiben und den Brei kochen wollten! Eine Frau kann wenigstens heiraten oder eine Leronis werden oder sich der Schwesternschaft angeloben und ihre Ohren durchbohren und das Schwert ergreifen, aber die Götter mögen dem Mann helfen, der etwas anderes zu sein wünscht als ein Soldat oder Landmann oder Laranzu! Warum sollte eine Frau, die das Schwert trägt, eine Vergewaltigung zu fürchten haben, wenn sie besiegt wird? Ich bin eine Frau - möchtest du erleben, daß ich so mißbraucht werde?«
»Nein«, sagte Paul. »Ich würde jeden Mann töten, der es versucht, und er sollte nicht leicht sterben. Aber du bist eine Frau, und sie … « »Und sie sind auch Frauen«, unterbrach sie ihn ärgerlich. »Wenn Frauen dein Pflug folgen oder in der Wildnis Tiere hüten müssen, um den Lebensunterhalt für ihre verwaisten Kinder zusammenzukratzen, werden sie von den Männern auch nicht für unweiblich gehalten. Ein Mann, der eine einsame Hirtin oder Fischerin vergewaltigt, wird überall als einer verachtet, der keine willige Frau finden kann. Warum sollen nur Schwertkämpferinnen vogelfrei sein? Wenn du einen Feind gefangennimmst, stehen dir seine Waffen zu, und du kannst ihn zwingen, sie auszulösen, und in der schlechten alten Zeit konntest du ihn auf Jahresfrist als Diener behalten. Aber du zwingst ihn doch nicht zum Beischlaf! «
»Das hat Bard auch gesagt«, berichtete Paul. »Er befahl seinen Männern, sie als Kriegsgefangene mit Achtung zu behandeln, sonst würden sie ausgepeitscht.«
Melisandra fragte: »Wirklich? Das ist das Beste, was du mir je über Bard di Asturien erzählt hast. Vielleicht ändert er sich mit dem Älterwerden, wird mehr ein Mensch und weniger ein wilder Wolf … « Paul sah sie scharf an. »Du haßt ihn nicht wirklich, nicht wahr, Melisandra? Obwohl er dich vergewaltigte … «
»Oh, mein Lieber«, sagte sie, »es war keine Vergewaltigung. Ich war willig genug, auch wenn es wahr ist, daß er einen Glanz über mich warf. Aber ich habe inzwischen erfahren, daß sich viele Frauen einem Mann unter einem Glanz hingeben, und manchmal wissen sie es nicht einmal. Ich hoffe, die Göttin Avarra wird Bard vergeben, wie ich ihm vergeben habe.« Sie legte ihre Arme um Paul. »Aber warum reden wir von ihm? Wir sind zusammen, und es ist nicht wahrscheinlich, daß er uns diese Nacht stören wird.«
»Nein«, sagte Paul. »Ich glaube, Bard wird an eine Menge anderes zu denken haben. Zwischen Lady Carlina und dem Zorn Avarras wird er kaum noch einen Gedanken für uns erübrigen können.«
»Carlina«, sagte Bard, »ich bitte dich, weine nicht mehr. Es ist geschehen. Mir tut es leid, daß ich dir weh tun mußte, aber von nun an wird es besser gehen. Ich gebe dir mein Wort, daß ich dich nie wieder grob behandeln werde. Bis an unser Lebensende können wir glücklich zusammen leben, Carlie, jetzt, wo du mich nicht mehr zurückweisen kannst.«
Sie drehte sich um und sah ihn an. Ihre Augen waren vom Weinen so verschwollen, daß sie ihn kaum sehen konnte. Sie sagte mit heiserem Stimmchen: »Glaubst du das immer noch?«
»Natürlich, meine Geliebte, meine Frau.« Er faßte nach ihrer schmalen Hand, aber sie zog sie ihm weg.
»Avarra sei uns gnädig«, explodierte er, »warum sind Frauen so
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