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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
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uns dann noch verstecken könnten.«
    Ich konnte nicht glauben, was sie mir erzählten, und rutschte unruhig auf dem Sofa hin und her: »Und? Was habt ihr gesagt?«
    »Was hätten wir sagen sollen? Dass uns das alles sehr leidtut und dass wir alles dafür tun werden, dass er wieder freikommt. Das haben wir gesagt.«
    Wie weit kann einen Angst bringen? Vergessen, was diese Schweine uns angetan haben? Aus dem Gedächtnis getilgt? Was ist dir dein eigenes Leben wert? Wann fängst du an, es aufzuwiegen? Was für eine Gehirnwäsche hatten wir eigentlich durchlaufen? Tatsächlich hatte ich auch mich schon dabei ertappt, dass ich ein schlechtes Gewissen hatte. Kugler gegenüber! Nicht zu fassen. Aber sie haben uns gefügig gemacht, mit Gewalt und Demütigungen. Man beißt nicht die Hand, die einen füttert. Und Gewalt, nun, die gehört nun einmal dazu in diesem Milieu. Diesen Satz mussten wir uns später vor Gericht anhören.
    Am nächsten Tag gingen Lea und ich am späten Nachmittag in der Stadt bummeln. Ich weiß noch, dass es an diesem Tag saukalt war und Lea einen roten Wollmantel trug. Während wir uns vor einem Schaufenster die Nasen plattdrückten, hörten wir hinter uns plötzlich Schreie. Ein Unfall? War jemand umgekippt? Ich drehte mich um, wie man sich eben so umdreht, wenn man einen Schrei hört. Mit einer Mischung aus Neugier und Unbehagen. Ein paar Meter von uns entfernt stand ein Mann mit Sonnenbrille auf der Nase. Er trug eine schwarze Mütze, eine dunkle Bomberjacke und Jeans. Sein rechter Arm war ausgestreckt, in der Hand hielt er eine Waffe. Er zielte direkt auf uns. Ich packte Lea und riss sie zu Boden, dann krachte es. Die Kugel riss ein Loch in den Ärmel von Leas Mantel. Hatte er uns nicht getroffen, weil er uns nur warnen wollte? Oder hatten wir einfach Schwein gehabt? Als ich hochblickte, war der Typ weg. Wir waren völlig aufgelöst, rannten kopflos die Straße entlang. Was nun? Erst mal beruhigen. Und dann? Wer könnte uns helfen?
    Nach einigem Hin und Her entschieden wir uns, zur Morgenpost zu gehen. Vielleicht könnten uns die beiden Redakteure sagen, was wir jetzt machen sollten. Zu zwei der Journalisten hatten wir Vertrauen gefasst, sie hatten uns das Gefühl gegeben, auf unserer Seite zu stehen. Sie hörten sich an, was passiert war, und rieten uns, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Wirklich wohl fühlte ich mich bei dem Gedanken nicht. Machten wir damit den nächsten Fehler? Zum zweiten Mal »hauten wir den Gutmenschen Kugler in die Pfanne« – zumindest aus seiner Sicht. Und was, wenn wir an einen Polizisten gerieten, der auf Kuglers Gehaltsliste stand? Die Presse hatte bereits darüber berichtet, dass einer der Hintermänner ein Uniformträger war. Seit elf Jahren im Dienst, stellvertretender Revierleiter und Dienstgruppenführer.
    Ich weiß nicht, wie oft die beiden Journalisten den Satz wiederholt haben, dass die Polizei auf unserer Seite stünde. Am Ende gingen wir tatsächlich von der Redaktion zur Dienststelle.
    Lea und ich nahmen auf zwei Stühlen Platz, hinter einem großen Schreibtisch saß der Beamte. Er machte auf uns einen eher gelangweilten Eindruck, anfangs hatte ich sogar das Gefühl, dass er uns nicht wirklich ernst nahm. Er tippte unsere Aussagen runter, hin und wieder stellte er ein paar Fragen über das Jasmin und was wir dort alles so gemacht hätten. Die ganze Situation war irgendwie seltsam. Ich warf Lea einen Blick zu – Vorsicht!
    Nachdem er das Protokoll aufgenommen hatte, las er uns alles vor, fragte nach der Richtigkeit und ließ uns anschließend unterschreiben. Wir stellten Anzeige gegen Unbekannt – und hörten nie wieder etwas. Weder, dass die Ermittlungen aufgenommen, noch, dass sie irgendwann eingestellt wurden. Es war, als hätte das alles gar nicht stattgefunden. Nur in meiner Jugendamtsakte findet sich ein Vermerk: Nochmals verwiesen auf die Gefährdung der Mädchen. Mandy und Lea waren in Leipzig Gefahren ausgesetzt, auf die Mädchen wurde geschossen, nur Lea wurde getroffen. Möglich, dass … ein Kopfgeld ausgesetzt [wurde]. … Familie wird beschattet .
    *
    Die unmissverständliche Drohung zeigte Wirkung.
    Unter der Überschrift »Die Mädchen vom Kinderbordell« erschien ein Foto von uns, neben dem folgender Text stand: Szene am Frühstückstisch. Die Mädchen vom Kinderbordell fühlen sich wohl und warten gemeinsam auf ihren Freund und Zuhälter K .
    Und in einem Fernsehbeitrag, der von RTL ausgestrahlt wurde, hockten Lea und ich

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