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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
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entschied ich mich, mit nach Bocholt zu fahren. Raphael tollte draußen im Garten herum, die anderen Gäste schwatzten in der Küche, ich hatte mich für einen Moment auf das Sofa gesetzt. Kurz durchatmen. Das unangenehme Ziehen im Bauch kam plötzlich. Vielleicht doch Blähungen? Ich stemmte mich aus der Couch hoch und ging ins Bad. Ich drehte den Wasserhahn auf und schwappte mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Es ist einfach nur die Anstrengung, die Fahrt war wohl doch zu viel gewesen. Ich trocknete mir gerade das Gesicht, als ich eine Sturzblutung bekam. Ich schrie, presste meine Schenkel zusammen und versuchte selbst mit den Händen aufzuhalten, was sich offenbar nicht aufhalten ließ. Ich verliere mein Kind!
    Der Notarzt kam schnell. Noch im Rettungswagen wurde ich an den Tropf angehängt, die Mienen der Sanitäter waren ernst. Und auch in der Klinik machte man mir keine Hoffnungen. Meine Werte würden darauf hindeuten, dass ich schon länger unter inneren Blutungen litt, ein Neugeborenes würde so etwas nicht überleben, auch mein Leben hinge an einem seidenen Faden.
    Ärzte und Pfleger wuselten um mich herum, Nadeln wurden in meine Arme gebohrt, Geräte angeschlossen, zu viert hievten sie mich auf den Behandlungsstuhl. Die Gynäkologin fuhr mit dem Ultraschallgerät über meinen Bauch, ich wartete darauf, dass sie mir sagte, alles sei vorbei. Keine Herztöne mehr, es tut ihr sehr leid.
    Sie tunkte den Taster noch einmal in Gleitflüssigkeit, fuhr immer wieder auf meinem Bauch hoch und runter. Dann rief sie aufgeregt: »Schauen Sie mal, die kleine Maus nuckelt am Daumen und strampelt fleißig mit den Beinchen!«
    Plötzlich drängten sich alle um den Monitor herum, keiner konnte fassen, was auf dem Bildschirm zu sehen war.
    Die anschließende Untersuchung ergab, dass sich die Plazenta zum Teil gelöst hatte und nach unten gerutscht war. Dabei waren Gefäße geplatzt, was die heftige Blutung ausgelöst hatte. Aber meine Tochter war noch in meinem Bauch.
    Ich war in der 25. Woche und meine Werte waren verheerend. Mein Hämoglobinwert lag bei 4,7, ich hatte so viel Blut verloren, dass es in den nächsten Stunden nur darum ging, mich zu stabilisieren.
    Ich wurde auf die Intensivstation verlegt, bekam Wehenhemmer und diverse Infusionslösungen, die mich wieder auf die Beine bringen sollten. Der Arzt hatte mir gesagt, dass die Wehen unbedingt gestoppt werden müssten, da er das Kind frühestens in vier Wochen holen könne. So lange müsse ich strikte Bettruhe einhalten. Vier Wochen sind eine lange Zeit.
    Nach acht Tagen konnten die Wehenhemmer langsam abgesetzt werden, eine Zeitlang schien sich alles stabilisiert zu haben. Dafür bekam ich nun ein Mittel, das dafür sorgen sollte, dass sich die Lungen unserer Tochter schneller ausbildeten. Wolfgang war inzwischen nach Hause gefahren, er rief jeden Tag an.
    Am 19. August platzte die Fruchtblase, ich wollte nicht akzeptieren, dass damit alles zu Ende sein sollte. Es war zu früh gewesen. Als meine Tochter auf die Welt kam, konnte sie nicht richtig atmen. Die Ärzte nabelten sie ab, warteten, bis ihr kurzer Kampf zu Ende war, und legten dann den winzigen Körper auf meinen Bauch, damit ich Abschied nehmen konnte. Die Hebamme machte ein Foto. Ich wollte das Kind nicht loslassen, klammerte mich an das kleine Ärmchen. Nicht jetzt, bitte, noch nicht jetzt. Lasst sie mir noch einen Moment.
    »Es ist Zeit«, sagte irgendjemand in die Stille hinein. »Sie müssen in den OP . Wir wollen Sie nicht auch noch verlieren. Ihren Mann haben wir schon informiert, er ist bereits auf dem Weg.« Ich wurde für den Eingriff vorbereitet, danach weiß ich nichts mehr. Als ich in meinem Zimmer wieder zu mir kam, weinte ich leise vor mich hin. Alles war vorbei.
    Gegen elf Uhr abends schoben sie ein zweites Bett in mein Zimmer, dicht neben meins, kurz darauf war Wolfgang da. Ich erinnere mich noch, dass eine Schwester ihn fragte, ob er heute schon etwas gegessen habe. Sie brachte Butterbrote und eine Kanne Tee. Alle waren unglaublich herzlich, bemüht, uns den Schmerz irgendwie zu erleichtern. Wolfgang legte sich zu mir, wir hielten uns fest, waren uns nah wie vielleicht noch nie während unserer gemeinsamen Zeit.
    Nach einer Weile fragte ich ihn, ob er unsere Tochter sehen wolle und gab ihm das Foto. Ich habe Wolfgang noch nie so verzweifelt gesehen. Er ging ins Bad, krallte sich am Waschbecken fest, konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Es war, als sei in diesem Moment etwas in

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