Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
für die Räumlichkeiten hatte er von Mayfarth erhalten, der sie selbst dem Direktor der Denkmalpflege entwendet hatte. Wozu das alles? Wozu sollte ich etwas stehlen, das ohnehin im Besitz der Kirche war? Die Antwort musste mit dem Inhalt des Papyrus zu tun haben und durfte offensichtlich nicht ans Tageslicht kommen.
»Eine Lösung gefunden?«, fragte Yasmina, die unbemerkt an meiner Seite aufgetaucht war.
»Sie haben mich belogen«, antwortete ich.
»Wie bitte?«
»Sie sagten mir, dass Sie Professorin am Lehrstuhl für Kirchengeschichte in Rom seien.«
»Das schließt nicht aus, dass ich einem Orden angehöre.«
»Richtig, das tut es nicht. Aber Sie hätten es mir sagen können.«
»Hätte es etwas geändert?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht schon. Zumindest hätte es mir klar gemacht, wer an meiner Seite ist.«
»Wissen Sie es jetzt?«
»Ja. Eine abhängige Angehörige der römisch-katholischen Kirche. Stecken Sie mit Mayfarth unter einer Decke?«
»Wie bitte?«
»Ich meine, arbeiten Sie mit ihm zusammen?«
»Natürlich, was den Fund angeht. Ansonsten habe ich nichts mit ihm zu schaffen, ich kenne ihn ja noch nicht einmal. Mein Arbeitgeber ist die Kirche in Rom. Nur ihr bin ich verantwortlich.«
»Und was soll dann das Theater hier? Wieso verschweigt mir der Bischof den Inhalt des Papyrus? Er gehört zu Ihrer Kirche.«
»Glauben Sie mir, das würde ich auch gerne wissen. Ich bin in dieser Sache keinen Deut schlauer als Sie.«
»Wieso sind Sie dann hier?«
»Es ist meine Aufgabe, historische Funde auf ihre Relevanz für die Kirche hin zu überprüfen. Daran ist nichts Geheimnisvolles.«
»Können Sie den Bischof zwingen, sein Geheimnis preiszugeben?«
»Grundsätzlich ja. Aber das würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, die Sie und ich nicht haben.«
»Wer oder was drängt Sie?«
»Die Wissenschaft.«
Ich sagte ihr, dass wir unsere Recherche auf den jungen Archäologen, der bei der Öffnung mit dabei gewesen war, ausdehnen würden. Vielleicht konnte er etwas Licht in die Sache bringen. Sie stimmte zu, und wir fanden ihn wenige Schritte entfernt, bei der Katakombe auf dem Kilianplatz, wo soeben eine lange Kiste in einen Transporter verladen wurde.
»Sie überführen den Krieger nach Rom«, sagte er hilflos.
»Wieso das?«, fragte ich.
»Weil Rom es in die Hand nimmt«, antwortete Yasmina.
»Rom, Rom, Rom. Ich kann’s bald nicht mehr hören. Ich denke, Sie sind anstelle Roms vor Ort?«
»In Sachen Papyrus. Der Krieger wird umfangreichen Tests unterzogen, die hier in Würzburg nicht gemacht werden können.«
»Sie nehmen ihn uns weg!«, protestierte der Archäologe.
»Wie Sie uns alles wegnehmen, was wir finden.«
»Das hat damit nichts zu tun. Es ist …«
»… eine Schande.«
Der Transporter setzte sich auf Nimmerwiedersehen in Bewegung. Resigniert wandte sich der Archäologe ab.
»Sie waren doch bei der Öffnung des Zylinders mit dabei«, fragte ich ihn. »Was war sein Inhalt?«
»Da müssen Sie die Herren im Dom fragen«, antwortete er.
»Aber Sie haben doch gesehen, was …«
»Das ist genauso abgelaufen wie der Abtransport gerade eben. Die Dreckarbeit übernehmen wir, und wenn es um die Belohnung geht, reißt sich die Kirche alles unter den Nagel. Ich hab langsam die Schnauze voll. Das macht keinen Spaß mehr.«
»Das kann ich gut verstehen, aber Sie können mir doch bestimmt einen Anhaltspunkt geben, um was es sich gehandelt hat, als Sie den Zylinder geöffnet haben.«
»Stillschweigen. Wir sind vom Bischof zum Klappehalten verdonnert worden. Verstehen Sie? Totschweigen, als hätte es nie etwas gegeben. Das Einzige, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass das ziemlich alte Dokumente sein müssen. Der Bischof und der Baureferent haben sich darauf gestürzt wie der Teufel auf die gute Seele. Der eine Papyrus wies lateinische Schriftzeichen auf und der andere …«
»Es gab zwei Dokumente?«, unterbrach ich ihn.
»Ja, zwei, und beide sind jetzt weg. Irgend so ein Idiot ist nachts bei uns eingestiegen und hat sich bedient. Als hätte er genau gewusst, wo und wonach er suchen muss. Es ist zum Kotzen. Ich habe keinen Bock mehr auf die Scheiße hier.«
»Dieser Papyrus«, schaltete sich Yasmina ein, »wie war er beschaffen? Gab es da irgendein Siegel oder eine Unterschrift?«
»Ja. Woher wissen Sie das?«
»Ich habe es gehofft.«
»Das Siegel auf dem Zylinder war das des Römischen Reiches. Mann, wenn ich das beweisen könnte, ich wär ein gemachter Mann. Eine
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