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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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er nicht nur stinksauer über die mir zuteil gewordene Begünstigung, sondern im höchsten Grade misstrauisch und nervös war. Er verfügte, dass Heinlein und ich die ganze Zeit über mit Handschellen miteinander verbunden sein sollten, er selbst würde den Ablauf nach Vorschrift überwachen.
    »Wie soll der Plan funktionieren, wenn du die ganze Zeit an mich gekettet bist?«, fragte Heinlein. »Oder wird das die Neuauflage von Zwei auf der Flucht?«
    »Wart’s ab«, entgegnete ich ihm.
    Aber er hatte Recht, der Plan benötigte eine aktive Begünstigung seitens Oberhammers.
    Kopfzerbrechen bereitete mir zudem der bevorstehende Spießrutenlauf und die Bloßstellung meiner Mutter, die an der Beerdigung teilnehmen würde. Denn die Nachricht, dass ich als Hauptverdächtiger festgenommen und vernommen worden war, hatte sich ohne Zweifel über die Familien der Kollegen in Windeseile verbreitet. Nicht zuletzt ließ es sich Oberhammer nicht nehmen, in Uniform zur Abfahrt zu erscheinen.
    »Ich vermute, Sie sind am Ziel Ihrer Wünsche?«, fragte ich ihn während der Fahrt nach Veitshöchheim.
    Er hatte vorne neben dem Fahrer Platz genommen, Heinlein und ich saßen aneinander gekettet auf dem Rücksitz des Streifenwagens.
    »Es ist einer der besseren Tage in meiner langen Karriere. Und wenn ich es mir recht überlege, ist es mir ein Fest, Sie mit dem heutigen Tage aus meiner Mannschaft zu entfernen. Daran wird auch dieser kurze Ausflug nichts ändern, wenn das Ihr Plan ist. Im Gegenteil, Kilian, Sie haben sich verspekuliert. Niemand wird Ihnen Ihre Tat verzeihen. Kein Hinterbliebener und kein Herrgott. Unter aller Augen kehrt der Mörder an den Tatort zurück, so sehe ich das. Für mich kommt das einem Schuldeingeständnis gleich.«
    Ein selbstzufriedenes Lachen bewegte diesen Koloss vor mir, als säße er auf einer Harley und genösse die Vibration zwischen seinen Schenkeln.
    »Nur schade, dass Ihr Triumph durch die Ermittlungsarbeit meines Kollegen Heinlein herbeigeführt wurde, anstatt von Ihnen.«
    Sein Lachen verebbte.
    Die erwartet große Menge an Trauergästen und Gemeindemitgliedern hatte sich eingefunden. Viele hatten in der Kirche keinen Platz gefunden und standen auf dem Kirchplatz. Sie verfolgten gespannt die Ankunft unseres Streifenwagens. Wir stiegen aus.
    Es ist zuweilen ein zutiefst befriedigendes Gefühl, wenn eine Vorahnung in Erfüllung geht.
    »Heinlein, warten Sie!«, befahl Oberhammer.
    Er setzte seine Mütze zurecht, streifte die Uniform glatt und stellte sich vor uns. »Öffnen Sie die Handschellen, und machen Sie Kilian an mir fest.«
    »Ich glaub, ich verstehe nicht«, entgegnete Heinlein.
    »Tun Sie, was ich Ihnen befohlen habe.«
    Oberhammer hielt den Arm hin, und Heinlein dockte mich an. Jeder sollte sehen, wer da an wessen Seite marschierte.
    Hochmut kommt vor dem Fall, und dieser Spruch hatte bei Oberhammer gleich doppeltes Gewicht. Ich hatte mit seiner Eitelkeit spekuliert und wurde belohnt. In Ausübung seines Amtes und seiner Pflicht als Polizeidirektor führte er mich der Menge vor. Die vorwurfsvollen Augen und stummen Beschuldigungen, die auf mich einprasselten, ließen mich die Wehrlosigkeit eines Unschuldigen oder zu Unrecht Angeklagten in diesem Moment in jeder Faser meines Körpers spüren. Genauso musste es sein, wenn man absolut machtlos war und nicht vor Wut aufschreien konnte, wenn der Stab über einem längst gebrochen war.
    Wir betraten die Kirche St. Vitus, wechselten vom hellen Sonnenschein in das dämmrige und anklagende Trauerflor eines Gerichtssaales. Im Handumdrehen ging die Kunde meines Erscheinens auf die Anwesenden über, und ich sah mich inmitten eines Tribunals wieder. Am Ende der überfüllten Kirchenbänke war mein vermeintliches Opfer unter einem Meer von Blumen aufgebahrt. Ich erkannte meine Mutter unter Tränen und in Scham aufgelöst in den vorderen Reihen. Die Familienangehörigen Nikolas waren nicht anwesend. 17
    Gleich nach dem Requiem sollte der Leichnam nach Italien gebracht werden, wo er in der Familiengruft die letzte Ruhe finden sollte.
    Oberhammer zog mich schnurstracks auf den Altar zu, als würde er mich zum Schafott führen. Er machte nicht Halt, und ich fragte mich, was er vorhatte. Er platzierte mich unter den Augen der versammelten Kirchengemeinde direkt vor dem Sarg.
    »Was soll das werden?«, fragte ich ihn.
    »Sie wollen Vergebung? Jetzt haben Sie die Chance. Knien Sie nieder.«
    Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich drehte mich verlegen um, um zu

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