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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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raschen
Einschätzung der Verletzung mit einem Griff das Notwendige
zur Erstbehandlung.
    Das Schwierigste war, den Leuten die Unerlässlichkeit von
Hygiene zu vermitteln. Weder die Briten des neunzehnten
Jahrhunderts noch die Mazedonier begriffen, weshalb es von
Bedeutung sein sollte, zwischen der Behandlung der einzelnen
Patienten auch nur das Blut von den Händen zu wischen. Die
Mazedonier waren starr vor Staunen, wenn Bisesa ihnen von den
unsichtbaren kleinen Lebewesen erzählte, die sich wie
winzige Götter oder Dämonen auf offene Wunden
stürzten, und auch die Briten hatten keinen blassen
Schimmer, wenn es um Viren und Bakterien ging. Am Ende musste
Bisesa die jeweiligen Befehlsstrukturen zu Hilfe nehmen, um ihren
Willen durchzusetzen.
    Sie übte mit ihren Assistenten soviel wie nur irgend
möglich und opferte noch mehr Ziegen, wobei sie den Tieren
ins Becken oder in die Eingeweide schoss und mit dem
Mazedonierschwert auf sie einhackte; für richtiges Blut an
den Händen gab es einfach keinen Ersatz. Die Mazedonier
waren keineswegs zimperlich, denn wenn sie die lange Zeit bei
Alexander überlebt hatten, hatten die meisten von ihnen wohl
furchtbare Verwundungen zu Gesicht bekommen; doch der Gedanke,
etwas dagegen unternehmen zu können – der war
ihnen neu. Die Wirksamkeit oft einfachster Techniken wie das
Anlegen von Druckverbänden verblüffte sie und
motivierte sie, mit immer größerem Eifer
weiterzulernen.
    Wiederum war sie drauf und dran, den Lauf der Geschichte zu
verändern, sinnierte Bisesa. Wenn sie nicht allesamt
vernichtet wurden – ein großes »Wenn«!
–, welch eine neue medizinische Synthese sich wohl –
zweitausend Jahre zu früh – aus dieser
behelfsmäßigen Ausbildung entwickeln würde, die
sie so mühsam zu vermitteln versuchte? Vielleicht ein ganzer
neuer Wissenskomplex, in funktioneller Hinsicht äquivalent
zu den technischen Modellen Newtonischer Mechanik des
einundzwanzigsten Jahrhunderts, jedoch eingebettet in die Sprache
mazedonischer Götter.
    Ruddy Kipling wollte hartnäckig darauf bestehen,
»zu den Fahnen zu eilen«, wie er es nannte:
»Hier stehe ich, an einem Wendepunkt historischer
Abläufe, wenn die beiden größten Feldherren in
der Geschichte der Menschheit einander in der Schlacht begegnen,
um darum zu kämpfen, die Geschicke einer neuen Welt zu
lenken! Mir braust das Blut in den Adern, Bisesa!« Er
hatte, so behauptete er, seine militärische Ausbildung beim
Ersten Schützenregiment des Pandschab erhalten, den
Mitwirkenden an der anglo-indischen Operation zur Abwehr der
Bedrohung, die von der rebellischen Nordwestgrenze ausging.
»Zugegeben, ich habe nicht lange durchgehalten«,
räumte er ein. »Nachdem ich mich über die
Schießkünste meiner Kameraden in einem kleinen Gedicht
lustig gemacht hatte, in dem es darum ging, mir den Pelz von
ihren Kugeln durchlöchern zu lassen, während ich
friedlich die Dorfstraße entlang
spaziere…«
    Die Briten warfen einen Blick auf diesen teiggesichtigen,
dicklichen, bombastischen, jungen Mann, der immer noch bleich war
von seiner überstandenen Erkrankung, und wandten sich
schmunzelnd ab. Die Mazedonier wussten mit Ruddy einfach nichts
anzufangen, wollten ihn jedenfalls nicht haben.
    Nach diesen Abfuhren – und mehr oder weniger gegen
Bisesas besseres Wissen – ließ sich Ruddy nicht mehr
davon abhalten, ihrem behelfsmäßigen medizinischen
Stab beizutreten. »Ich hatte einmal den Ehrgeiz, Arzt zu
werden, wissen Sie…« Gut möglich, aber wie sich
herausstellen sollte, war er außerordentlich zart besaitet
und fiel umgehend in Ohnmacht, als er zum ersten Mal das frische
Blut einer Ziege fließen sah.
    Doch wild entschlossen, seinen Part in diesem großen
Kampf zu spielen, hielt er durch und gewöhnte sich nach und
nach an die Krankenhausatmosphäre, an den Gestank von
blutigen Eingeweiden und an das Wehklagen der verwundeten,
verängstigten Tiere. Schließlich war er sogar in der
Lage, die offene Beinwunde einer Ziege zu versorgen und erst in
Ohnmacht zu fallen, nachdem die Aufgabe vollbracht war.
    Dann kam sein größter Triumph, als ein Tommy mit
einem klaffenden Schnitt an der Hand eintraf, den er sich beim
Training zugezogen hatte. Da schaffte Ruddy es ohne Bisesas
Hilfe, die Wunde zu reinigen und zu verbinden, obwohl er sich
nachher die Seele aus dem Leib kotzte, wie er später
fröhlich zugab.
    Bisesa ignorierte den leichten Gestank nach

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