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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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hatte sogar schon einige Todesfälle
gegeben, bevor die lückenhaften medizinischen Kenntnisse der
Briten und Bisesas zu einer Diagnose und, in beschränktem
Maße, auch zu einer Behandlung führten. Da war es
Bisesa bereits klar, dass sie und die Briten Krankheitskeime aus
der Zukunft mitgebracht hatten, gegen die das Immunsystem der
Mazedonier machtlos war. Auf ihrer Odyssee waren die Soldaten
zwar schon etlichen neuen Krankheiten ausgesetzt gewesen, aber
die ferne Zukunft war ein Ort, an den selbst sie noch nicht
vorgedrungen waren. Ein Glück für alle Beteiligten,
dass die Infektionen rasch wieder verschwanden. Seltsamerweise
gab es in umgekehrter Richtung keine Ansteckungen; die
Krankheitskeime der Mazedonier konnten offenbar den Briten nichts
anhaben. Einem Epidemiologen wäre diese chronologische
Asymmetrie wohl eine wissenschaftliche Abhandlung wert, vermutete
Bisesa.
    Tagaus, tagein ging der Marsch weiter. Geleitet von Alexanders
Kundschaftern und den sorgfältig ausgeführten
Landkarten, die er vom Industal hatte anfertigen lassen, nahm die
Armee nun eine andere Route nach Jamrud als jene, auf der Bisesa
und ihre Begleitung gekommen waren.
    Eines Morgens, nicht mehr als zwei Tagesmärsche von
Jamrud entfernt, stießen sie auf eine Stadt, die allen
völlig unbekannt war. Der Marsch wurde unterbrochen, und
Alexander schickte einen Trupp Kundschafter aus, um Näheres
zu erfahren; Bisesa und einige der Briten schlossen sich dem
Trupp an.
    Die Stadt war auf zwei Hügeln angelegt und umgeben von
massiven Schutzwällen aus getrockneten Lehmziegeln. Sie war
klug geplant und durchzogen von gitterförmig angelegten,
geraden, breiten Straßen; alles darin sah so aus, als
wäre sie vor kurzem noch bewohnt gewesen. Aber als die
Kundschafter vorsichtig durch die Tore spähten, bekamen sie
keine Menschenseele zu Gesicht.
    Es war keine Ruinenstadt, dazu war sie nicht alt genug. Sie
war ausgezeichnet erhalten. Selbst die Holzdächer waren noch
intakt. Aber es musste dennoch ein Weilchen her sein, dass man
sie verlassen hatte. Das, was man an
Einrichtungsgegenständen und Tonwaren zurückgelassen
hatte, war zerbrochen, und falls irgendwelche Nahrungsmittel
zurückgeblieben waren, so hatten Vögel und vielleicht
auch Hunde sie sich wohl geholt. Alles war mit feinem rostbraunem
Staub bedeckt.
    De Morgen machte auf ein kompliziertes System von Brunnen und
Abwasserkanälen aufmerksam. »Davon müssen wir
Kipling berichten!«, rief er mit trockenem Humor.
»Ein großer Fan von Abwasserkanälen, unser
Ruddy. Ein Stempel der Zivilisation, sagt er.«
    Der Boden war stark gefurcht und zertrampelt. Als Bisesa mit
der Hand ein wenig durch den Sand pflügte, entdeckte sie
darin zahlreiche winzige Fundstücke: Splitter von
Tontöpfen, Armreifen, Murmeln aus Lehm, Fragmente kleiner
Figuren, Metallstücke, die Handelsgewichte sein mochten,
Tafeln mit Einkerbungen in einer unbekannten Schrift. Jeder
Quadratzentimeter Boden schien wiederholt benutzt worden zu sein,
und Bisesa stand auf Schichten über Schichten von
jahrhundertelang angewachsenem Schutt. Dies hier musste ein
uralter Siedlungsort sein, ein Relikt aus einer Zeit lange vor
den Briten, ja selbst vor Alexanders Raubzug, alt genug, um in
Bisesas Tagen tief unter angewehtem Sand begraben zu sein. Die
Stadt erinnerte daran, dass dieser Teil der Welt schon seit
langer, langer Zeit bewohnt, ja zivilisiert war – und dass
die Tiefen der Vergangenheit, die von der Diskontinuität an
die Oberfläche gebaggert wurden, viel Unbekanntes
enthielten.
    Aber die Siedlung war leer, so ausgeräumt, als
hätten ihre Bewohner einfach gepackt und wären
über die kahle, steinige Ebene davongezogen. Eumenes fragte
sich laut, ob die Flüsse infolge der Diskontinuität
nicht möglicherweise ihren Lauf geändert hatten, und
die Menschen auf die Suche nach Wasser gegangen waren. Doch so
wie es aussah, lag der Zeitpunkt, zu dem die Einwohner ihre Stadt
aufgegeben hatten, dafür zu weit zurück.
    Keine Antworten auf diese Fragen. Die Soldaten – Briten
wie Mazedonier – schreckten sich vor der, wie sie meinten,
gespenstischen Atmosphäre dieses ausgestorbenen Ortes,
dieser Geisterstadt. Sie blieben nicht einmal über Nacht,
sondern zogen weiter.
     
    Nach einigen Tagesmärschen traf Alexanders Heerzug in
Jamrud ein – zur Verblüffung und Verwunderung aller
Betroffenen.
    Immer noch auf Krücken kam Casey Bisesa entgegen
gehoppelt

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