Die Zeit-Odyssee
und umarmte sie. »Ich hätte es nie geglaubt!
Und – Herrgott, was für ein Gestank!«
Sie grinste. »Tja, so geht’s eben, wenn man
vierzehn Tage in einem Lederzelt hockt und Hammelragout isst.
Komisch – Jamrud kommt mir jetzt fast wie ein altes Zuhause
vor, Rudyard Kipling eingeschlossen.«
Casey grunzte. »Also irgendetwas sagt mir, mehr Zuhause
als das hier werden wir für die nächste Zeit nicht
haben. Ich sehe noch keinen Weg zurück. Aber komm jetzt rein
ins Fort. Rate mal, was Abdikadir hingekriegt hat? Eine
funktionierende Dusche! Was wieder mal zeigt, dass die
Heiden auch ihre praktischen Seiten haben. Die fähigen
jedenfalls…«
Im Fort wurde Bisesa von Abdikadir, Ruddy und Josh umringt,
die begierig auf ihren Bericht warteten. Josh wirkte ganz
besonders erfreut, sie wiederzusehen; sein schmales Gesicht war
in tausend Lachfältchen gelegt. Und auch Bisesa war
richtiggehend froh, wieder in seiner klugen, linkischen
Gesellschaft zu sein.
»Was halten Sie persönlich von unserem neuen Freund
Alexander?«, fragte er.
»Wir müssen mit ihm leben«, antwortete Bisesa
ernst. »Seine Truppen sind zahlenmäßig den
unseren etwa hundert zu eins überlegen – ich wollte
sagen, denen von Hauptmann Grove. Ich denke, für den
Augenblick hat Alexander das Heft in der Hand.«
»Außerdem«, fügte Ruddy geschmeidig
hinzu, »hält Bisesa ihn zweifelsohne für ein
schmuckes Mannsbild – mit seinem klaren, kühnen Blick
und dem glänzenden Haar, das ihm über die Schultern
fällt…«
Josh errötete heftig.
Aber Ruddy wandte sich bereits an Abdikadir. »Und wie
steht es mit Ihnen, Abdi? Es passiert nicht alle Tage, dass
jemand mit seiner Abstammungsgeschichte konfrontiert
wird!«
Abdikadir lächelte und fuhr sich mit den Fingern durch
das helle Haar. »Vielleicht kommt es noch so weit, dass ich
meinen Ururur… und so weiter…großvater
erschieße und beweise, dass diese ganzen angeblichen
Paradoxa falsch sind…« Aber er wollte zur Sache
kommen; er wartete schon ungeduldig darauf, Bisesa etwas zu
zeigen – und nicht bloß die Dusche Marke Eigenbau.
»Ich bin noch mal zu dem Flecken aus dem einundzwanzigsten
Jahrhundert zurück, der uns hierher gebracht hat, Bisesa,
denn dort gibt es eine Höhle, die ich mir näher ansehen
wollte…«
Er führte sie in einen Lagerraum des Forts. Dort hielt er
eine Waffe hoch, ein großes Gewehr; es war zwar in
schmutzige Lumpen gehüllt, aber die Metallteile
glänzten vom Öl, mit dem man sie eingefettet hatte.
»Wir hatten Geheimdienstberichte, wonach dieses Zeug hier
war«, sagte er. »Es war eines unserer
Aufklärungsziele damals im Hubschrauber.« Er zeigte
auf ein paar Blendgranaten – ein Relikt aus der Sowjetzeit
–, bückte sich und hob eine hoch. Sie sah aus wie eine
Suppendose, die man auf einen Stock gesteckt hatte. »Kein
besonders umfangreiches Waffenlager, aber hier ist es.«
Josh strich vorsichtig über den Lauf einer der Waffen.
»So ein Gewehr habe ich noch nie gesehen.«
»Das ist eine Kalaschnikow. Zu unserer Zeit war das
bereits eine Antiquität, eine Waffe, die nach der
sowjetischen Invasion übrig geblieben war, das heißt,
etwa fünfzig Jahre vor unserer Zeit. Funktioniert immer noch
perfekt, würde ich vermuten. Die Bergstämme liebten
ihre Kalaschnikows heiß; nichts war so verlässlich wie
sie. Man muss sie nicht mal reinigen – und diese Mühe
machten sich viele der Jungs auch nie.«
»Tötungsmaschinen aus dem einundzwanzigsten
Jahrhundert«, bemerkte Ruddy mit gepresster Stimme.
»Bemerkenswert.«
»Die Frage ist«, gab Bisesa zu bedenken,
»was sollen wir mit dem Zeug anfangen? Wären wir
berechtigt, Schusswaffen aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert
gegen eine, sagen wir, Armee aus der Eisenzeit einzusetzen
– egal, wie groß deren Übermacht ist?«
Ruddy starrte die Waffe an. »Bisesa, wir haben nicht die
leiseste Ahnung, was uns dort draußen erwartet. Wir haben
uns diese Situation nicht ausgesucht, und welche Macht oder
welches Ungemach auch immer daran schuld ist, dass wir hier
gestrandet sind, hatte gewiss nicht unser Wohlergehen im Sinn.
Ich würde sagen, hier stehen heikle Fragen der Moral nicht
mehr zur Debatte. ›Pragmatismus‹ lautet der
Tagesbefehl! Wäre es nicht reine Tollerei, uns diese Muskel
aus Stahl und Schießpulver nicht zu bewahren?«
Josh seufzte. »Du redest so bombastisch wie immer,
Ruddy, mein Freund. Aber diesmal muss ich dir Recht
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