Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
mongolischer Schrift. Zu seiner
Überraschung erfuhr Kolja, dass die Mongolen vor Dschingis
Khan keine eigene Schrift besessen hatten; erst dieser hatte die
Schrift seiner Nachbarn, der Uiguren, übernommen.
    Die fleißig arbeitenden Diener waren sichtlich stolz auf
das Werk, das sie schufen, und Yeh-lü behandelte sie gut und
gratulierte ihnen zu ihrem überragenden Können. Aber
die Diener waren Sklaven, erfuhr Kolja, erbeutet bei den
mongolischen Überfällen auf chinesische Völker.
Kolja war nie zuvor Sklaven begegnet und konnte nicht umhin,
fasziniert zu sein. Ihre Haltung war stets unterwürfig, sie
hielten die Augen gesenkt, und besonders die Frauen zuckten bei
jedem Kontakt mit den Mongolen zusammen. Vielleicht wurden sie in
Yeh-lüs Gegenwart geschont, aber dennoch blieben sie
Ausgelieferte – Besitz.
    Kolja vermisste sein Zuhause: seine Frau und seine Kinder,
verloren irgendwo im Zeitengefüge. Doch auch jede dieser
unglücklichen Sklavinnen war aus ihrer Familie, ihrem Heim
gerissen worden; ihr Leben war zerstört, und das nicht durch
irgendeine göttliche Manipulation von Zeit und Raum, sondern
einzig und allein durch die Grausamkeit anderer menschlicher
Wesen. Die missliche Lage der Sklaven machte seinen eigenen
Verlust nicht leichter zu ertragen, aber es hielt ihn davon ab,
sich in Selbstmitleid zu ergehen.
    Wenn auch die Existenz von Sklaven schwer zu akzeptieren war,
so empfand er wenigstens Yeh-lüs zivilisierten Intellekt als
wahren Lichtblick. Und nach einiger Zeit schien es ihm fast
leichter, Yeh-lü, einem Mann des dreizehnten Jahrhunderts,
zu vertrauen als Sable, einer Frau seiner eigenen Epoche.
     
    Was die langwierige, sorgfältige Kartografierung betraf,
verlor Sable langsam die Geduld. Und die Pläne, die
Yeh-lü provisorisch vorbereitete, um sie dem Großkhan
vorzulegen, beeindruckten sie überhaupt nicht.
    Yeh-lü war der Ansicht, Konsolidierung sollte die erste
Priorität sein. Die Mongolen waren in letzter Zeit immer
mehr auf den Import von Korn, Stoffen und anderen unentbehrlichen
Dingen angewiesen, und so war ein ungehinderter Warenverkehr von
größter Dringlichkeit für sie. Da nur noch wenige
funktionierende Verbindungen mit China existierten, sollten zu
allererst Nachforschungen im wichtigsten und reichsten Teil des
asiatischen Herrschaftsgebietes des Khans angestellt werden. Aber
zugleich, so drängte Kolja, sollte auch ein Erkundungstrupp
ins Tal des Indus geschickt werden, um Casey und die anderen
Menschen aus seiner Zeit, die dort Zuflucht gefunden hatten,
aufzuspüren.
    Doch das war nicht kühn genug für Sables Geschmack.
Nach einer Woche marschierte sie in Yeh-lüs Gemach und
rammte ein Messer in die Weltkarte. Die Sklaven flatterten davon
wie verängstigte Vögel. Yeh-lü betrachtete Sable
mit kühlem Interesse.
    »Sable«, sagte Kolja, »wir sind immer noch
Fremde hier…«
    »Babylon«, unterbrach sie ihn. Sie zeigte auf das
Messer, dessen Klinge im Herzen Iraks zitterte. »Dorthin
sollte der Khan seine Energien lenken! Kornkammern,
Handelsrouten, buckelnde chinesische Bauern… alles Dreck,
verglichen damit. Babylon – dort befindet sich die wahre
Macht hinter dieser neuen Welt! Eine Macht – das
weißt du so gut wie ich, Kolja –, die fähig war,
selbst Zeit und Raum zu zerreißen. Wenn der Khan es
schafft, sich die unter den Nagel zu reißen, dann
könnte es mit seiner göttlichen Mission, den Planeten
zu beherrschen, durchaus klappen. Sogar zu seinen
Lebzeiten.«
    Auf Englisch und somit unverständlich für ihren
Übersetzer, sagte Kolja zu ihr: »Eine solche Macht in
den Händen von Dschingis Khan – Sable, du bist
verrückt!«
    Mit flammendem Blick sah sie ihn an. »Wir sind ihnen
acht Jahrhunderte voraus, ist dir das entfallen? Wir können
diese Mongolen im Zaum halten.« Mit einer weit ausholenden
Handbewegung, als würde sie sie für sich beanspruchen,
wies Sable auf die Karte. »Es würde Generationen
dauern, auf den Fragmenten der Geschichte, die wir geerbt haben,
sowas wie eine annähernd moderne Zivilisation aufzubauen!
Mit den Mongolen als Rückenstärkung könnten wir
das auf weniger als ein Menschenleben verkürzen! Kolja, wir
könnten das schaffen! Das ist mehr als eine gute Gelegenheit
– es ist eine Pflicht!«
    Diesem hitzigen Temperament gegenüber fühlte Kolja
sich schwach. »Du hast vor, auf einem Tiger zu
reiten…«
    Yeh-lü beugte sich vor. Durch Basil sagte er: »Ihr

Weitere Kostenlose Bücher