Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
bewegte Luft, die nirgends anders hin konnte, in einem unaufhörlichen, unsichtbaren Strom nach oben und zauste den Umhang eines neugierigen englischen Mönchs. Einen Moment lang verlor er sich in schlichtem Staunen über dieses unerwartete physikalische Phänomen, ein Fragment der reichen Schönheit von Gottes Schöpfung.
Dann zupfte Grace ihn am Arm. »Seht«, sagte sie. »Habt Ihr die Jubelrufe nicht gehört? Da ist sie …«
Widerstrebend drehte er sich um und kehrte wieder in die Welt der menschlichen Dinge zurück.
Auf der breiten Straße, die die Felswand säumte, näherte sich eine Prozession: Leute mit vergoldeten Gewändern, Kaufleute und Höflinge, hochrangige Generäle, die wie Pfauen gekleidet waren, ein Klecks christlicher Farbe in dieser eroberten Maurenstadt. Viele von ihnen trugen kunstvoll gestickte Kreuzfahrerkreuze auf den Schultern oder der Brust. Zu der Gruppe zählten auch ein paar ebenfalls prächtig gekleidete Mauren mit juwelenbesetzten, glitzernden Turbanen: vermutlich die Reichen und Mächtigen unter dem alten Regime, die jetzt hofften, angesichts des Besitzerwechsels der Stadt ihren Reichtum und Einfluss bewahren zu können.
An der Spitze des Zuges schritt langsam eine schwarze Traube von Prälaten einher, die in ihrer Dunkelheit
irgendwie unheilvoll wirkte. Und im Innersten dieser Gruppe ging eine hochgewachsene, eindrucksvolle Frau mit prägnanten Zügen in einem glanzvollen Gewand aus leuchtend bunten Seidenstoffen; ihre Augen waren aquamarinblaue Splitter. Ihr zurückgebundenes kastanienbraunes Haar steckte unter einem kleinen, zierlichen Turban, denn wenn sie eine eroberte Stadt betrat, pflegte sie sich respektvoll zu kleiden, mit einer Verbeugung vor dem maurischen Stil.
Es war natürlich die Königin, Isabel von Kastilien. Als sie vorbeikam, jubelten ihre Soldaten.
»Sie ist großartig, nicht wahr?«
Diego Ferron hatte sich zu ihnen gesellt. Der Dominikanerfrater, groß und spindeldürr, trug ein so schwarzes Gewand, dass es das Tageslicht aus der Luft zu saugen schien.
Ihn begleitete ein Maure, ein korpulenter Mann von ungefähr fünfzig Jahren mit ausdruckslosem, wettergegerbtem Gesicht. Er trug ein Bündel Dokumente unter einem Arm und wartete mit leerem Blick an Ferrons Seite.
Grace ergriff Ferrons Hand und küsste sie. »Mein guter Frater. Ihr habt mich gefunden, ich bin ja so froh.«
Ferron nickte. Er warf James einen Blick zu und hob zwei Finger, um ihn mit einem kurzen Kreuzzeichen zu segnen. »Und ich bin froh, dass Ihr in diesem Augenblick des Triumphs hier seid, Madam. König Fernando setzt gerade seinen Jubelbrief an den Papst auf, wie ich höre. Oh, ich sollte Euch meinem Mudéjar vorstellen.«
Der Maure lächelte. »Ich bin Abdul Ibn Ibrahim. Von Beruf bin ich Astronom. Heute diene ich dem Frater.« Er sagte das ohne erkennbare Bitterkeit.
Ferron sagte: »Eigentlich gehört er zum Stab des Emirs in Granada. Der Emir hat eine Delegation nach Ronda entsandt, um die Durchführung der Kapitulationsvereinbarung zu beobachten. Wir versuchen, in diesen Dingen zivilisiert zu sein. Und darum folgt mir dieser Mudéjar wie ein Schatten. Nun, er ist nützlich; sein Lateinisch ist recht gut.«
James stellte sich selbst vor. »Und das ist Lady Grace Bigod aus Buxton – wir kommen aus England.«
Die Augen des Mauren glitzerten. »Ich weiß, wer Ihr seid.«
Die Bemerkung verblüffte James. Aber Abdul sagte nichts mehr.
»Ah, die Königin kommt näher …«, raunte Ferron.
Sie applaudierten, als Isabel mit ihrem Gefolge auf der Straße an ihnen vorbeiging.
Ferron blickte ihr voller Bewunderung nach. »Ich bin ihr schon mehrmals begegnet. Eine erstaunliche Mischung aus Mut, Frömmigkeit und purem Glanz! Auf ihre Weise ist sie für die Sache der Christenheit ebenso wertvoll wie zehntausend Ritter, wisst Ihr, denn die Männer lieben sie auf eine Weise, wie sie Fernando niemals lieben werden, obwohl sie seine Schlauheit und Führungskraft bewundern. Und tüchtig ist sie auch. Seit Rondas Fall hat sie bereits die Hauptmoschee umgeweiht und Wagenladungen Heiliger Schriften
und Kreuze von Córdoba und Sevilla herbringen lassen, zusammen mit guten christlichen Siedlern, die die verlassenen Häuser in Besitz nehmen werden. Auf diese Weise hat sie die Eroberung der Stadt durch ihre Reinigung vollendet.«
»Und die Juden und Conversos?«, fragte James spitz. »Werden die auch noch gereinigt?«
Ferron bedachte ihn mit einem dünnen Lächeln. »Torquemada ist persönlich
Weitere Kostenlose Bücher