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Die Zeitbestie

Titel: Die Zeitbestie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
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Spiegelbild im Wasser, aber als sie sich umdrehte, löste er sich auf wie Dunst. Sie schlang weitere Tiere herunter, stopfte sich die scheußlichen Dinger in den Mund, die Salzgeschmack und Gestank verbreiteten, während Polly ihre grünen, eng gepackten Innereien zerkaute. Endlich zwang sie sich, wieder aufzustehen.
    Das Meer überspülte allmählich wieder die Ebene aus erstarrter Lava, und da Polly nicht von der rasch steigenden Flut eingeschlossen werden wollte, wandte sie sich aufs Neue den Vorbergen zu. Ihr Ziel war eine Stelle aus noch immer warmer Lava, wo sie einen Großteil der zurückliegenden Nacht geschlafen hatte, aber der Torus war nicht bereit, ihr diesen Luxus ein weiteres Mal zu gestatten. Das Netz in ihr wurde stahlhart und zog sie wie eine Klaue herab. Ein weiteres Mal wurde sie durch die Nacht verschoben, umhüllt von einem weiß glühenden Käfig, der sie an eine öde Stelle führte, auf die schmutziger Regen prasselte. Dort fand Polly Gelegenheit, sich an bitterem Wasser satt zu trinken, ehe der nächste Zeitsprung erfolgte. Am Zielort stolperte sie über schwarze Sanddünen auf den Horizont zu, wo sie Erleichterung oder irgendetwas zu finden hoffte. Unter dem Überzieher standen inzwischen die Rippen hervor. Neben ihr ging Nandru einher, die Stirn in Falten gelegt.
    Ich denke, der Torus weiß, dass du hier nichts zu essen findest und ihn somit nicht ernähren kannst; deshalb ernährt er sich von dir – verbraucht dich, bringt dich um.
    »Hilf mir!«
    Und wie soll er das tun, junge Dame? Er ist nur eine Halluzination.
    Der Schiffskapitän Frank stand dort und paffte an seiner Pfeife, und hinter ihm ragte die Marinefestung Knock John hoch aus dem Sand auf. Polly vermutete, dass das Brummen in ihren Ohren auf die Bomber zurückging, die darüber hinwegflogen.
    »Halte es auf … sorge dafür, dass es aufhört!«
    Das kann ich nicht, und falls ich könnte, wie könntest du hier überleben?
    Das war Nandru, der tatsächlich mit ihr redete. Sie starrte die große Maunsel-Festung an und bemerkte, dass sie nur Erinnerungen sah, keine Wirklichkeit. Als Fleming vom militärischen Geheimdienst sie musterte und den Anschein erweckte, er würde gleich eine Frage stellen, wandte sie sich von ihm ab. Und dabei entdeckte sie, dass die eigenen Fußabdrücke sich vor ihr erstreckten und sie in einem großen Kreis gegangen war. Als wäre er unzufrieden mit dieser Sackgasse, verschob der Torus sie erneut. Und der Albtraum ging nicht nur weiter – er wurde schlimmer.
    Polly war zu erschöpft, zu ausgelaugt, um sich überhaupt noch etwas daraus zu machen, und sie wusste, dass ihre verbleibende Lebenserwartung vielleicht diese Verschiebung und noch eine weitere umfasste, aber mehr nicht. Die Kleidung hing inzwischen so lose an ihr wie die Haut am Skelett. Sie glich einem ausgemergeltem Kind, das aus Bergen-Belsen hervorstolperte und wahrscheinlich selbst dann nicht mehr überlebte, wenn es zu essen bekam. Rings um sie leuchtete der glasige Käfig hell, als säße sie gefangen zwischen verworrenen Streben aus weiß glühendem Stahl, und sie konnte draußen kaum etwas erkennen. Die Verschiebung zurück ins Wirkliche empfand sie als heftigen Ruck zur Seite, wie damals, als sie in Thotes Zeit angekommen war. Die Welt sickerte ringsherum wieder ins Dasein zurück, in Schattierungen aus Eisen und Glas, aber der Käfig entmaterialisierte nicht. Vielmehr stürzte er auf eine glatte Metallfläche, verformte sich beim Aufprall, als bestünde er aus Teig, und Dampf strömte aus ihm hervor. Innerhalb der Vorpalstreben verblasste das Glühen zu roten Fäden, während das Glas rissig zu werden und zu splittern begann. Polly stieß eine Strebe matt an, und sie zerbrach wie eine Zuckerstange. In diesem Augenblick ragte auf einmal eine Gestalt über ihr auf und machte sich daran, den Rest des Käfigs aufzureißen.
    »O Gott …«
    Ich vermute, du bist am Ziel, sagte Nandru.
    Polly brachte nicht einmal mehr die Energie auf, um zu schreien, als ein in Schatten gehülltes Skelett durch die zersplitternden Streben des Käfigs erkennbar wurde. Einen Augenblick später stellte sie jedoch fest, dass sie in Wirklichkeit etwas anderes sah. Trotzdem machte die hoch aufgeschossene Gestalt ihr weiterhin Angst. Sogar ein böses, dämonisches Gesicht wäre womöglich leichter zu akzeptieren gewesen als dieses gesichtslose Ei, das den Kopf bildete. Der skelettöse Eindruck ging, wie sie jetzt erkannte, auf ein Netz aus glasartigen Rippen und

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