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Die Zeitbestie

Titel: Die Zeitbestie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
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gedämpft wie die eines Berufskillers, dachte Tack. Er fragte sich, ob es das war, woran er sich bei ihr störte – aber nein, er kannte diese Stimme nicht von früher, oder? Dann wurde ihm klar, was ihm an ihr vertraut erschien. Trotz des verformten Körpers ähnelte ihre Physiognomie stark der eines anderen.
    Cowl.
    Begleitet von einem plötzlichen Ansturm des Grauens, wurde Tack sofort klar, dass Cowl nie wieder seine Gedanken lesen durfte. Und da Tacks Verstand sich inzwischen so stark umstrukturiert hatte, bemerkte er, dass Cowl in seinem Eifer nicht tief genug gegraben hatte. Das Wesen hatte diesen Thote nicht sagen hören: » Wie das Mädchen, das vor fünfzig Jahren hier eingetroffen ist, bist du nur ein Stück temporaler Abfall. In deinem Fall scharf gemacht und mit Gift gefüllt und dann losgeschickt.« Und Cowl hatte nicht Tacks spätere Verwirrung darüber gespürt, warum man ihm keine effektiven Distanzwaffen mitgegeben und warum man ihn so schlecht auf einen Kampf vorbereitet hatte, in dem Zeitsprünge eine Rolle spielten.
    Die Frau wandte sich ihm zu. »Kannst du wieder reden?«
    »Ja.«
    »Gut. Wenn Cowl an einem Verstand herummurkst, bleibt gewöhnlich nichts übrig, was noch an einen Menschen erinnern würde. Aber wie es scheint, ist dein Verstand ans programmiert und umprogrammiert werden gewöhnt und hat die Fähigkeit zur Selbstorganisation behalten. Wie ich vermute, spielt dabei mit hinein, dass Cowl dich durch dein Interface ausgepresst hat, sodass viele natürliche, unterbewusste Strukturen intakt blieben.«
    »Wie stehst du zu Cowl?«, fragte er.
    »Ich bin seine Schwester.«
    Tack blickte forschend durch den Raum, suchte nach geeigneten Waffen. Wiewohl eine Verräterin, war sie doch immer noch eine Heliothan und damit stark und schnell. Aber es erschien ihm zwingend notwendig zu entkommen, und dazu musste er sie töten. Dann spürte er unvermittelt, wie völlig falsch es wäre, wenn er diese Frau umzubringen versuchte, die ihn versorgt hatte, und in ihm breitete sich kurz Verwirrung aus. Als diese sich wieder legte, war ihm schlecht vor Wut. Seine erste Reaktion war auf Reste der Heliothan-Programmierung zurückzuführen, aber es war nicht richtig, so zu denken. Jetzt wusste er, dass er niemals ein Meuchelmörder gewesen war, dass man ihn immer nur manipuliert hatte, seit Saphothere ihn fand: letztlich hatte er ein Opferlamm sein sollen. Er schuldete den Heliothan gar nichts.
    »Zerbrich dir darüber nicht den Kopf.«
    Einen Augenblick lang glaubte Tack, sie würde seine Gedanken lesen, aber dann hatte er es wieder auf der Reihe. »Dein Bruder hat mich beinahe umgebracht und meinen Verstand zerlegt. Und darüber sollte ich mir nicht den Kopfzerbrechen?«
    »Nein, Tack. Was er dir angetan hat, das war durch den Angriff auf ihn bedingt. Ich möchte diesen nicht als deinen Angriff definieren, denn wir beide wissen, dass du dabei keine Wahl hattest. Und ohnehin ist das Resultat von Cowl’s Gewalttätigkeit – ob mit Absicht oder nicht –, dass du auf eine Art und Weise lebendig bist wie nie zuvor.«
    Das stimmte. Tack war jetzt in der Lage, Entscheidungen zu treffen, aber begleitet wurde das von Verwirrung. Womöglich schuldete er Cowl im Grunde mehr als den Heliothan? Aber nein, Cowl hatte ihm nicht mit Absicht Gutes getan, und in diese Richtung zu schwenken, das wäre gewesen, als reichte man einem Krokodil die Hand zur Freundschaft. Sein ganzes Leben lang hatte Tack noch nie selbst entscheiden dürfen, auf wessen Seite er stand, oder überhaupt etwas. Jetzt jedoch verfügte er über einen freien Willen. Er musste sich somit fragen, wessen Partei er ergreifen sollte und ob überhaupt eine. Nur eine Sekunde lang sehnte er sich nach dem leichteren Weg der von außen kommenden Programmierung. Nur eine Sekunde lang.
    »Weiß Cowl, was du getan hast?«, fragte er.
    »Nein. Ich teile weder die Ansichten meines Bruders noch seinen Hass.«
    »Auf wessen Seite stehst du – Heliothan oder Umbra?«
    »Auf meiner eigenen, Tack.«
    Da hatte er es, und er traf seine Wahl.
    Wenn er diesen Krieg aus beiden Perspektiven betrachtete und aus der Perspektive, die jetzt ganz die eigene war, wurde Tack klar, dass seiner Meinung nach nichts rechtfertigen konnte, was Cowl bislang tat – dieses gleichgültige Gemetzel an den Torusträgern. Und er war sich vollständig darüber klar, dass Cowl jetzt über genau die Informationen verfügte, die die Heliothan geplant hatten. Allerdings konnte Tack auch nicht

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