Die Zeitbestie
Umbrathan sah Cowl den Zwischenraum durchqueren. Er war einfach da, riss Scour hoch und zerriss und zerfetzte ihn dabei. Dann flog Scour in einem Bogen davon, zog die eigenen Eingeweide nach und prallte an einen leuchtenden Transformator, ehe er brennend und schreiend daran herabrutschte. Keiner der übrigen sechs rührte sich oder sagte etwas, während Scours Schreie zu einem Stöhnen abklangen und er langsam kochte, unfähig, sich aus dem thermalen Eindämmungsfeld rings um die Maschine zu befreien. Cowl stand völlig reglos zwischen den Umbrathan, und öliger Rauch trieb durch das Innere der Kugel. Diese Stille schien endlos fortzudauern, bis Makali die Spannung lockerte, die ihren Körper im Griff gehalten hatte, und mit der Hand an den Gürtel fuhr, nur ein kleines Stück von der eigenen Faustfeuerwaffe entfernt. Cowl wirbelte sofort zu ihr herum, und einen Augenblick lang glaubte sie, sie würde sterben wie Scour.
Ein Zischen schien aus dem Schatten zwischen den Maschinen in Cowl hineinzuströmen und drückte sich aus diesem Wesen hervor mit den Worten aus: »Ich gebe einen Befehl nicht zweimal.«
Makali zog die Aufmerksamkeit ihrer Gefährten auf sich und deutete mit dem Kopf zum Ausgang. Die fünf wichen allmählich aus der Kugel zurück. Makali folgte ihnen und blieb an der Tür noch einmal stehen.
»Das Torusbiest?«, fragte sie, wohl wissend, dass sie damit ihr Leben aufs Spiel setzte.
Cowl zischte erneut, als die Gesichtsabdeckung langsam aufklappte.
Makali flüchtete.
Falls man sie gefragt hätte, wem sie vertraute, hätte Polly nur Nandru mit Gewissheit angeben können, da sein Wohlergehen vollständig von ihr abhing; und vielleicht Ygrol, weil er völlig offen war. Das Wort ›Vertrauen‹ war hingegen auf Tacitus nicht anwendbar, der den anderen gegenüber stets ehrlich und völlig aufrichtig war, sie aber auch kalt darüber informiert hatte, dass er Aconite bis zum Tod ergeben war und sich nicht darum scherte, ob die anderen lebten oder starben. Cheng-yi war, wie Polly spürte, jemand, dem man lieber nicht den Rücken zuwandte, und Lostboy war ihrer Einschätzung nach kaum mehr als eine Erweiterung von Aconite, denn das meiste, was er im Schädel hatte, war von der Trollfrau dort eingebaut worden. Die Heliothantin selbst war nach Pollys Auffassung ein zu vielschichtiges Lebewesen, um sich entweder für Vertrauen oder Misstrauen zu qualifizieren. Und Tack, ihm traute Polly noch weniger über den Weg als dem Chinesen, und als sie den früheren Killer in die klamme Nacht hinausschleichen sah, packte sie ihren Taser und die Heliothan-Pistole, die Aconite ihr gegeben hatte, und folgte ihm.
Der Regen fiel jetzt gleichmäßig aus einem dunklen Himmel. Es war ein warmer Guss, und Polly genoss ihn richtig, während sie die Maske aufsetzte und sich das Haar zurückband.
Na, gibt es da wohl etwas, was Herr U-Reg-Arschloch vergessen hat, uns mitzuteilen?
»Na ja, ich glaube nicht, dass er sich hier draußen herumtreibt, um die Aussicht zu genießen, Nandru«, antwortete Polly.
Ich frage mich, womit wir es hier zu tun haben: Treibt er ein doppeltes Spiel, oder ist er nach wie vor hinter Cowl her?
»Wir finden es bald heraus.« Polly folgte der Gestalt, die sie mit knapper Not noch sehen konnte. Das helle Gewand, das Aconite ihm gegeben hatte, war viel leichter zu sehen als die schwarze, hautenge Montur Pollys, aber trotzdem bemühte sie sich, so unauffällig wie möglich zu bleiben. Tack drehte sich allerdings kein einziges Mal um, während er unerschütterlich durch die Nacht stapfte.
Polly folgte ihm den Hang hinab, dann am gegenüberliegenden Ufer des Flusses hinauf. Sie duckte sich hinter einen niedrigen Felsen, als er einmal stehen blieb und das maskierte Gesicht nach oben in den Regen wandte. Sie bemerkte, dass er die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt hatte. Dann sah sie, wie er den Kopf senkte, die Fäuste hob und fest an die Schläfen drückte. Noch immer drehte er sich nicht um, sondern ging einen Augenblick später weiter.
Migräne?, überlegte Nandru.
Polly gab keine Antwort, denn genau in diesem Augenblick bog Tack unvermittelt zur Seite ab, und sie verlor ihn aus dem Blickfeld. Sie lief zu der Stelle, wo sie ihn zuletzt gesehen hatte, und fand einen schmalen Wasserlauf, der sich vom Flussbett entfernte und durch Steinboden verlief. Sie folgte ihm und erblickte dabei Tack immer wieder mal ein Stück voraus. Ein zweites Mal verschwand er, aber dann leuchtete ein fahles Licht
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