Die Zeitbestie
Rauschzustände mit möglichst wenig Katern.
Polly knöpfte den Mantel auf, um den Inhalt der Hüfttasche zu kontrollieren. Sie fand darin noch immer einige Heroinpflaster und Pearlies.
»Nein, ich habe mich geändert!«, beharrte sie.
Sie kümmerte sich nicht weiter um die Pflaster, sondern holte lediglich den Tabak hervor, um sich eine Zigarette zu drehen. Ihr kam der Gedanke, dass der Vorrat nur noch für wenige Tage reichte. Da sie keinerlei Entzugssymptome von den Drogen erlebte, die sie genommen hatte, ehe die Schuppe an ihrem Arm festgewachsen war, blieb ihr vielleicht auch der Tabakentzug erspart. Auch hatte sie nicht vor, wieder von den Pflastern abhängig zu werden. Polly dachte darüber nach, sie wegzuwerfen. Allerdings konnten sie noch als Schmerzmittel nützlich werden, falls sie sich mal verletzte – was immer wahrscheinlicher erschien.
Und welchen Plan hast du?
»Lernen und Erfahrungen sammeln. Ich muss mir die Dinge diesmal ansehen, ehe ich weiter in die Vergangenheit gezerrt werde.« Sie prüfte ihren Lebensmittelvorrat. »Ich habe noch genug Vorräte für einige Tage, aber was wird danach? Ich bin für ein solches Leben kaum zulänglich gerüstet.«
Bislang hast du dich ganz gut geschlagen. Du hast dir mehr brauchbare Kleidungsstücke zugelegt, als du zunächst hattest, außerdem eine Pistole und ein Messer. Und natürlich hast du immer noch den Taser.
Als sie an diesen letzten Posten erinnert wurde, holte sie ihn aus der Hüfttasche hervor und betrachtete ihn forschend. Er hatte sich noch nicht wieder aufgeladen, und so kehrte sie ins offene Land am Fluss zurück und legte den Taser auf einen Baumstamm, wo seine Solarzellen von der direkten Sonneneinstrahlung profitieren konnten.
Dein Vorhaben erscheint mir bewundernswert, aber sicherlich hältst du in einem solch barbarischen Zeitalter lieber den Kopf eingezogen und wartest auf den nächsten Zeitsprung.
»Aber dann tue ich ja weiter nichts – sondern existiere nur.«
Dann müssen wir, sobald dein Taser voll aufgeladen ist, losziehen und nach dem suchen, was hier als Zivilisation gilt.
Als sie später darauf stieß, zeigte sich das Militärlager als unzweifelhaftes Menschenwerk, aber ob zivilisierter oder barbarischer Herkunft, das musste sich noch erweisen. Polly hatte ein Gebiet am Waldrand erreicht, wo einige Bäume gefällt worden waren, und erblickte eine Zeltstadt, die umgeben war von einem Baumverhau und Erdwällen. Außerhalb davon standen Soldaten in ordentlichen Reihen vor Bestattungsfeuern – römische Legionäre, die ihre Toten verbrannten. Als Polly sah, dass sich bereits Köpfe in ihre Richtung drehten und die Nachricht weitergegeben wurde, setzte sie sich auf einen Baumstumpf und machte sich daran, auf einer weiteren Pastete zu kauen. Kurz darauf näherte sich ihr eine kleine Gruppe schwer bewaffneter Legionäre, gefolgt von einem Offizier zu Pferd, der einen Mantel trug. Ihr fiel auf, dass diese Leute glatt rasiert und gepflegt waren, die Lederpanzer poliert, die Kurzschwerter auf Hochglanz. Ihr fiel auch auf, wie häufig die Männer in den Wald hinter ihr blickten.
Sie vermuten einen Hinterhalt.
»Naja, ich werde ihnen keinen Hinterhalt legen, solange sie nicht unangenehm werden«, antwortete Polly laut.
Die Männer starrten sie ratlos an, während sie das letzte Stück Pastetenkruste verdrückte.
»Quis’s, pro Ditem?«, fragte der Legionär, der ihr am nächsten stand – ein brutal aussehender Mann, dessen glatt rasierte Haut umso deutlicher eine hässliche Narbe quer über dem Gesicht zeigte.
»Ich habe nicht den leisesten Schimmer, was du gerade gesagt hast«, stellte Polly fest, stand auf und schob die Hand in die Tasche, um das tröstliche Gewicht der Automatikpistole zu packen.
Er hat gefragt: »Wer zum Teufel bist du?«
»Du verstehst, was sie sagen?«
So ungefähr. Unsere Muse hier hat Wörterbücher von etwa hundert Sprachen gespeichert. Durch Simultanzugriff auf alle europäischen Sprachen erhalte ich eine ungefähre Übersetzung, da vielen von ihnen Latein zu Grunde liegt.
»Fugite«, sagte der berittene Offizier und spornte sein Pferd an. Die Männer machten ihm den Weg frei. Er stieg ab und warf Narbengesicht die Zügel zu. »Qua loqueris? Certe nil horum barbarorum.«
»Tut mir Leid, ich bin nur eine ungebildete Wilde und verstehe dich nicht.«
Ich denke, er hat gerade gesagt, du würdest nicht nach einer ungebildeten Wilden klingen.
»Was sagt er jetzt?«, fragte Polly. Der Offizier
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