Die Zeitbestie
so ausgelegt, dass sie auch diese Tiere umbrachte, die ebenfalls Träger des Neurovirus waren. Thadus jagte jetzt der Gestalt hinterher, die im Zickzack durch die Ruinen rannte, und ihm wurde dabei klar, dass es der Junge war, der sich zuvor auf der Eiche versteckt gehabt hatte. Wie kam es, dass er noch lebte? Thadus musste ihn unbedingt zu Elone bringen, damit sie ihn untersuchen konnte. Er schnitt eine Grimasse, als ihm einfiel, dass das Gewehr den Jungen schon als Ziel gespeichert hatte. Elone brauchte ihn auch nicht lebend, um ihre Tests durchzuführen. Als er endlich freie Sicht hatte, blieb Thadus stehen und hob das Gewehr an die Schulter.
»Thadus, der Trikopter kommt zurück«, meldete ihm Elone über Com.
Er zögerte. Der Kopter wurde erst zum Abend zurückerwartet. Als er dann gerade schießen wollte, sah er zwei seiner Männer hinter einer zerbröckelnden, stark zugewachsenen Säule auf dem Weg des Jungen hervortreten.
»Schnappt ihn!«, rief er. Und dieser Schrei schien Albträume zu entfesseln.
Thadus blickte auf und sah den mächtigen Rumpf des Trikopters über den Ruinen; die Türen der Maschine gingen auf. Er verstand sofort, was vorging. Hier zeichnete sich eine saubere Lösung für die Enklavenbewohner ab: Sie brauchten nur lästige Elemente wie ihn, Elone, ihrer beider Mitarbeiter und die letzten Wilden auszurotten. Dann jedoch wandte er den Blick nach vorn und sah, dass hinter den beiden Männern die Luft schimmerte und sich verzerrte, während sie von einer Linie aus Hitzedunst senkrecht durchschnitten wurde. Als Nächstes falteten sich die Ränder dieses Schnitts nach außen und legten etwas Monströses frei.
»Was zum Teufel?«
Schreie ertönten jetzt in der Comverbindung – nicht von den beiden Männern, die hinter dem Jungen her waren, denn sie hatten das Grauen, das hinter ihnen aufragte, noch gar nicht gesehen. Auch nicht von Thadus’ Kollegen, die den Kopter entdeckt hatten; er wusste, dass sie deswegen nicht schreien würden. Er sondierte auf der rechten Seite und erblickte ein entsetzliches, vertikales Maul von drei Metern Höhe, dessen Inneres rotierte wie zahnbewehrte Förderbänder. Leichen und rennende Umbrathan wurden eingesaugt und die Lebenden und die Toten gleichermaßen in Fleischpulver verwandelt. Noch mehr Geschrei. Links von Thadus wurde ein ähnliches Maul von einem riesigen Tentakel die Straße entlanggeschoben, schloss sich krachend um vier Umbrathan und zog sich dann zurück, um in aller Gemütsruhe die verstreuten Leichen von Wilden aufzuschnappen. Ringsherum Tod. Über all dem purzelten aus dem Trikopter zylinderförmige Brandbomben. Vor Thadus wurden seine beiden Männer zerrissen und in eine organische Hölle gezerrt, die sich dann schloss und zugleich aus dieser Existenzform verschwand.
Thadus starrte den Jungen an, der dort stand. Er war nackt und wurde von den Ereignissen vielleicht gar nicht sonderlich verwirrt, da er von der Welt ohnehin weniger erwartete. Etwas Seltsames hielt seinen rechten Unterarm umfasst: ein unheimliches dorniges Gewächs. Thadus hatte keine Ahnung, warum er eigentlich den Abzug bediente, denn sie waren beide ohnehin so gut wie tot. Der Junge schien sich von den Kugeln abzuwenden und einfach zu verschwinden. Dann erfolgten ringsherum Explosionen. Von hinter der jetzt verlassenen Position des Jungen stürzte eine Feuerwand auf Thadus ein. Er legte sich das Gewehr auf die Schulter, schloss die Augen, verbrannte.
Kapitel 9
Statusmeldung Modifikation:
Die biostatische Energie, wie sie von komplexer molekularer Wechselwirkung erzeugt wird, ist invers mit dem Tachyonenverfall verwandt. Da dies eine Funktion ist, von der ich nur wenig weiß, schrecke ich davor zurück, das Genom noch komplizierter zu gestalten, aber es erscheint unvermeidlich, sodass eine weitere Erforschung dieser ›Energie‹ nötig wird. Durch Entfernung parasitärer DNA ist Platz für einige Zusätze entstanden: ein verstärktes Innenskelett, ein Außenskelett und erhöhte Muskeldichte, um beides zu stützen. Das reicht allerdings nicht. Die feindseligen Umweltparameter, die ich eingegeben habe, erfordern einen leistungsfähigeren Sinnesapparat und damit einhergehend mehr Nervengewebe; dann müssen noch die Gehirnmodifikationen erwähnt werden, die nötig sind, um all dies zu unterstützen. Somit ist eine Komplizierung des Genoms leider unvermeidlich, besonders wenn ich meinem Kind die Fähigkeit zu einem direkten Hirninterface mitgeben möchte. Ich hatte
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